Sustainability Session mit Stephan Lechner

Was Facebook und ein Kühlschrank gemeinsam haben

Freiburg

© Fraunhofer EMI
Dr. Stephan Lechner bei seinem Vortrag im Seminarraum des Fraunhofer EMI.
© Fraunhofer EMI
Professor Stefan Hiermaier begrüßt Dr. Stephan Lechner zur Sustainability Session am EMI.

Mit gefühlt weit über 40 Grad war der 22. Juni der bisher heißeste Tag des Jahres. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der zweiten Sustainability Session des Leistungszentrums Nachhaltigkeit konnten trotzdem einen kühlen Kopf bewahren. Denn im Fraunhofer EMI herrschten angenehme Temperaturen – dank sicherer und zuverlässiger Energieversorgung. Wie zentral das Funktionieren des Energiesystems für unsere Gesellschaft ist, wurde quasi körperlich spürbar.

Dabei gibt es im Energiesystem aktuell mindestens zwei große Veränderungsprozesse. Zum einen eine zunehmende Digitalisierung, wie auch in anderen Bereichen der Gesellschaft. Und zum anderen die durch Klimawandel und endliche Ressourcen notwendige Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energiequellen. Beides führt dazu, dass das Energiesystem der Zukunft sehr viel dezentraler aufgestellt sein wird, als es bisher der Fall ist.

Lechner führte aus, dass ein solches dezentrales System grundsätzlich stabiler und weniger anfällig für Angriffe von außen ist, als ein zentrales System, in dem der Ausfall weniger Knotenpunkte – etwa großer Kraftwerke – zu großflächigen Blackouts führen kann. Gleichzeitig kann dieses System nur dann funktionieren und deutschland- bzw. europaweit die Versorgungssicherheit garantieren, wenn seine einzelnen Komponenten eng miteinander vernetzt sind. Auf diese Weise können Cyberangriffe auf einzelne Bestandteile des Systems zu unkontrollierbaren Kaskadeneffekten führen und schwere Schäden am gesamten Energiesystem verursachen.

Obwohl all diese Entwicklungen bei der Cybersicherheit prinzipiell für viele gesellschaftliche Bereiche relevant sind, sticht das Energiesystem in seiner Bedeutung noch einmal hervor. Stephan Lechner machte das an einem einfachen Beispiel deutlich: Ein längerer Ausfall sozialer Medien wie zum Beispiel Facebook wäre zwar durchaus gravierend. Aber er führt nicht gleichzeitig zum Ausfall des Kühlschranks. Ganz im Gegensatz zur Energieversorgung. Fällt der Strom aus, brechen nach kurzer Zeit alle weiteren relevanten Infrastrukturen zusammen – von der Wasser- und Nahrungsmittelversorgung bis hin zu Krankenhäusern.

Die Europäische Kommission versucht daher aktuell Strategien zu entwickeln, um die Sicherheit moderner, „smarter“ Energiesysteme gegenüber Cyberangriffen zu erhöhen. Stephan Lechner betonte in seinem Vortrag hierbei die Notwendigkeit, von einem rein reaktiven Verhalten im Anschluss an gravierende Cyberattacken zu einem proaktiven, systemischen Vorgehen zu kommen. Es geht darum, Unternehmen dazu zu bringen, (Cyber-)Sicherheit möglichst schon im Systemdesign zu verankern. Dazu dienen etwa Regularien und Gesetze. Dem steht Lechner zufolge allerdings unter anderem der Fakt entgegen, dass der größte Teil der relevanten IT-Technologieunternehmen nicht in Europa ansässig ist und sich daher nur schwer durch europäisches Recht regulieren lässt. Hier gilt es künftig die Frage zu beantworten, wie solche Unternehmen mit ins Boot geholt werden könnten.

In der anschließenden Diskussion mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ging es dann unter anderem darum, ob komplexe Systeme wie ein dezentral organisiertes Energienetz überhaupt sinnvoll modelliert und simuliert werden können. Dieser Aufgabe haben sich Forscherinnern und Forscher aus dem Leistungszentrum verschrieben. Sie versuchen, die aktuell existierenden Grenzen solcher Simulationsmethoden immer weiter zu verschieben und so dazu beizutragen, die Sicherheit des Energiesystems der Zukunft zu erhöhen.

Im Anschluss an Vortrag und Diskussion konnten die Anwesenden die Gespräche untereinander dann bei einem kleinen Empfang noch weiter vertiefen.

Informationen zu den Sustainability Sessions:

Die Sustainability Sessions sind ein neues Format, in dem das Leistungszentrum Nachhaltigkeit Freiburg ausgewiesene und bekannte Expertinnen und Experten zur nachhaltigen Entwicklung einlädt. In programmatischen Abendveranstaltungen kann so die Diskussion zu einzelnen Themenstellungen in einem zwanglosen Rahmen vertieft werden. In naher Zukunft werden weitere Vorträge zu Themen wie etwa der Energiewende, urbaner Resilienz und der Transformation der Gesellschaft folgen.

Informationen zu Stephan Lechner:

Dr Lechner is the Director Euratom Safeguards in the Directorate-General for Energy of the European Commission. Before that he served as Director of the Institute for the Protection and the Security of the Citizen (IPSC) at the European Commission's Joint Research Centre (JRC). The IPSC is located in Ispra, Italy and employs over 300 researchers on technical and scientific security aspects of various sectors (buildings, networks, financial systems, society) crisis management, maritime security and new Information Technology. Dr Lechner's background is in mathematics and computer sciences and he holds a PhD in cryptography. Before joining the European Commission, Dr Lechner used to be Global Department Head for Security Research at Siemens Corporate Research from 2002 to 2007. He worked as head of Corporate Security and as IT Security in the telecommunications sector in Germany from 1993 to 2002 and started his professional career as network security researcher at Siemens in 1989.

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