Messinstrument ermöglicht künftig die effizientere Nutzung von Wasser in der Landwirtschaft

Neues Spiegelteleskop zur Erdbeobachtung bereit für den Flug zur Internationalen Raumstation ISS

Jena / Freiburg im Breisgau / /

Gemeinsam haben Forschende aus Jena und Freiburg ein neuartiges Spiegelteleskop für den Einsatz auf der Internationalen Raumstation ISS entwickelt. Die Erkenntnisse, die das Messinstrument dort in Zukunft liefern wird, sollen unter anderem Antworten auf den Klimawandel liefern und eine effiziente Nutzung von Wasser in der Landwirtschaft ermöglichen. Im Februar 2022 wird das Instrument seine Reise ins Weltall antreten. Gefördert wurde die Entwicklung des Teleskops vom »Digital Innovation Hub Photonics«, einer thüringischen Initiative zur Förderung von Gründungsvorhaben im Bereich Optik und Photonik.

Der Klimawandel stellt uns vor riesige Herausforderungen. Der Umgang mit der Ressource Wasser ist eine davon. Um in Zukunft ein ressourcenschonenderes Wirtschaften, insbesondere in der Landwirtschaft, zu ermöglichen, haben die Fraunhofer-Institute für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF aus Jena und das Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI, aus Freiburg gemeinsam mit den Unternehmen SPACEOPTIX und ConstellR – beides Ausgründungen aus der Fraunhofer-Gesellschaft – ein neuartiges Spiegelteleskop entwickelt. Das Teleskop ist Teil eines Messinstruments, das von der Internationalen Raumstation ISS aus künftig den Wasserkreislauf unseres Planeten vermessen wird. Dabei wird mithilfe einer Thermalinfrarotkamera die Landoberflächentemperatur der Erde vermessen. Das Messinstrument ist der Vorläufer einer Konstellation von sogenannten Mikrosatelliten, die in naher Zukunft noch umfangreichere Daten liefern sollen.

Neue Satellitenbilder liefern Antworten auf den Klimawandel

© Fraunhofer IOF
Das von Forschenden in Jena und Freiburg entwickelte Spiegelteleskop soll künftig den Wasserkreislauf der Erde vermessen.

Satellitenbilder spielen schon heute eine große Rolle, wenn es darum geht, Informationen über die Ökosphäre unseres Planeten zu sammeln – und ihre Bedeutung wächst immer weiter: Diese aus dem All gewonnenen Daten geben beispielsweise Aufschluss über seine Geologie, Wetterphänomene oder landwirtschaftliche Produktionszyklen. Neue, aussagekräftige und vielfältige Daten aus der Erdbeobachtung sind durch die schwer vorhersagbaren Effekte des Klimawandels mittlerweile unverzichtbar, um Vorhersagen über beispielsweise Ernteerträge frühzeitig und zuverlässig treffen zu können.

Um solch aktuelle und genaue Informationen mit hoher räumlicher Auflösung und zeitlicher Abdeckung zu erhalten, werden globale und lokale Daten daher in naher Zukunft durch Schwärme von Satelliten, sogenannte Satellitenkonstellationen, gewonnen. Die Größe einer Satellitenkonstellation bewegt sich dabei zwischen zehn bis einigen Hundert baugleichen Satelliten.

Für eine kostengünstige Realisierung dieser Konstellationen wird ein Schwarm aus sehr kleinen Satelliten, sogenannte Mikrosatelliten von der Größe etwa eines Schuhkartons, bestehen. Diese sind dank der fortschreitenden Miniaturisierung der notwendigen Technik leistungs- und widerstandsfähig.

Enge Kooperation der Fraunhofer-Institute mit ihren Spin-offs

© Fraunhofer IOF
Sie und ihre Teams haben gemeinsam das neue Teleskop entwickelt (v. l. n. r.): Dipl.-Ing. Henrik von Lukowicz (Fraunhofer IOF), Dipl.-Ing. Marius Bierdel (ConstellR) und Dr. Matthias Beier (SPACEOPTIX).

Mit der Realisierung einer Satellitenkonstellation im thermalen Infrarotspektrum hat sich das Freiburger Start-up ConstellR GmbH, eine Ausgründung aus dem Fraunhofer EMI, das Ziel gesetzt, eine relevante Lücke in der Erdbeobachtung zu schließen: »In diesem Spektralbereich lässt sich die Oberflächentemperatur als Schlüsselvariable in der Beschreibung unserer Umwelt sehr genau vermessen«, erklärt Marius Bierdel, CTO der ConstellR GmbH. »Dieses Wissen kann eingesetzt werden, um etwa den Wasserbedarf von Nutzpflanzen in der Landwirtschaft zu überwachen und damit genaue Ernteertragsvorhersagen zu treffen.«

Gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wird, im ersten Schritt auf dem Weg zur geplanten Konstellation, die ConstellR-Technologie im Frühjahr 2022 auf der Internationalen Raumstation ISS eingesetzt. Unter anderem wird während der Mission der optische Teil des Messinstruments, bestehend aus einem Metallspiegelteleskop mit Freiformspiegeln, demonstriert. Das Teleskop wurde in Kooperation der Fraunhofer-Institute EMI und IOF sowie ihren Ausgründungen ConstellR GmbH und SPACEOPTIX GmbH realisiert.

Das Design des opto-mechanischen Teleskops wurde am Fraunhofer IOF entwickelt. »Das Institut verfügt über einen großen Erfahrungsschatz in der Entwicklung von Hochleistungsoptiken für den Einsatz im Weltraum«, sagt Dr. Matthias Beier, CEO der SPACEOPTIX GmbH. »Die Herstellung der Spiegel, der Teleskopstruktur sowie der mechanischen Strukturbauteile der opto-mechanischen Gesamtnutzlast erfolgte derweil in unseren eigenen Fertigungsräumlichkeiten. Als Spin-off des Fraunhofer IOF haben wir uns auf die Serienfertigung von Metalloptiken für Weltraumapplikationen spezialisiert.«

Gefördert wurde das Vorhaben zur Entwicklung des Teleskops vom Pilotprojekt »Digital Innovation Hub Photonics« (DIHP), einer vom Freistaat Thüringen geförderten Initiative zur Förderung von Gründungsvorhaben im Bereich Optik und Photonik. Der Leiter des DIHP, Dr. Sebastian Händschke, sagt: »Diese Kooperation und das nun vorliegende Ergebnis sind ein sehr gutes Beispiel für die Intention des DIHP und der Zusammenarbeit mit Ausgründungen.« Die beiden Start-ups ConstellR und SPACEOPTIX hatten beim zweiten Elevator Pitch des DIHP im Januar 2020 je 50 000 Euro Forschungsbudget gewonnen, welches nun für die Entwicklung des Freiformspiegelteleskops am Fraunhofer IOF eingesetzt wurde.

 

Von Jena nach Freiburg nach Texas – weiter ins Weltall

Nach erfolgreicher Integration und optischer Charakterisierung konnte das Teleskop im September 2021 in Jena an das Fraunhofer EMI und die Firma ConstellR übergeben werden.

Nach dem Transport nach Freiburg werden nun elektronische Komponenten sowie ein Detektor montiert und das gesamte Messinstrument Tests unterzogen. Der Transport zum Startort nach Houston in Texas, USA, ist für November 2021 geplant, bevor das Instrument dann am 19. Februar 2022 mit Flug NG-17 auf die Internationale Raumstation ISS fliegen wird.