Materialprüfung bei höchsten Dehnraten

Materialprüfung bei höchsten Dehnraten

© Fraunhofer EMI
Einstufiger Druckbeschleuniger für Materialcharakterisierungs- und Bauteilversuche.
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Impaktanlage mit Druckmesssensoren und Transientenrekorder.

Materialtests bei höchsten Dehnraten sind zum Verständnis des Material­verhaltens unter dynamischen Belastungen notwendig, wie sie zum Beispiel beim Fahrzeug­crash, im ballistischen Bereich und im Bereich schnell spanender Material­bearbeitung auftreten. Das EMI bietet zwei besondere Untersuchungs­methoden der hochdynamischen Werkstoff­prüfung an, die in dieser Form in Deutschland ausschließlich am Fraunhofer EMI durchgeführt werden: den modifizierten Taylor-Impakt­test (MTT) mit stabförmigen Proben und den Planar­platten­impakt­test (PPI) mit platten­förmigen Proben. 

Diese Tests erzeugen eine definierte Material­belastung unter höchst­möglichen Dehnraten und ermöglichen die Bestimmung von Materialdaten, die direkt für Werkstoff- und Bauteil­simulationen verwendet werden. Taylor-Impakt- und PPI-Versuche sind zwar spezielle, aber international seit Jahrzehnten übliche Versuchstypen, mit denen deutlich höhere Dehnraten gegenüber Split-Hopkinson-Bar-Untersuchungen erreicht werden. Beide Versuchsarten erfolgen auf Basis von Impakt­versuchen, bei denen eine plane Probe von einem ebenfalls planen Impaktor mit einer vorgegebenen Geschwindigkeit getroffen wird. Der Impaktor erzeugt im Prüfkörper elastische und plastische Wellen, die die eigentliche Material­beanspruchung verursachen. Diese Wellen­vorgänge werden über ein optisches Interferometer (»velocity inter­fero­meter system for any reflecting surface«, VISAR) mit einer zeitlichen Auflösung von einer Nano­sekunde genau erfasst. Der registrierte Geschwindigkeits-Zeit-Verlauf (»free surface velocity«) ist materialspezifisch; aus dem Kurven­verlauf können dynamische Materia­ldaten, wie die dynamische Fließgrenze, die Dehnung und die Dehnrate abgeleitet werden. PPI-Versuche können weitere Daten liefern, wie sie beispielsweise zur Kalibrierung von Zustands­gleichungen (»equation of state«, EOS) erforderlich sind. 

Da die optische Untersuchung kontaktfrei ist, wird das Material durch die Messung nicht beeinflusst. Üblich ist die Erfassung und Auswertung des Mess­signals für die Bestimmung der Material­daten an einem Punkt, aber auch Mehr­strahl­messungen zur Erfassung lokal differierender Material­eigenschaften sind realisierbar. Neben Versuchen bei Raumtemperatur sind auch Versuche bei höheren oder niedrigeren Temperaturen möglich. Die Versuche können durch Hoch­geschwindigkeits­aufnahmen oder -videos dokumentiert werden. Mikroskopische Post-mortem-Analysen sind möglich, wenn die Proben über spezielle Verfahren weich aufgefangen werden.

© Fraunhofer EMI
Welleneffekte auf Oberfläche der Probenrückseite bei PPI-Versuch. Zum Start der Animation klicken Sie bitte auf das Bild.
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Spallation im Sabot als Begleiterscheinung im selben Versuch.