Interview mit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Clara Berger
Clara Berger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Experimentelle Ballistik am Fraunhofer EMI. Sie ist in der praktischen Versuchsdurchführung sowie deren Auswertung tätig und beschäftigt sich auch mit numerischen Simulationen. Zuvor hat sie Physik am KIT in Karlsruhe und später in Basel studiert und am Fraunhofer EMI als wissenschaftliche Hilfskraft gearbeitet. Auf diesem Wege hat sie das Institut sehr gut kennengelernt und sich so sehr für die Schnittstelle aus experimenteller Forschung und Simulation begeistert, dass sie bleiben wollte. Damit ist sie für uns ein Role Model: von der studentischen Hilfskraft über Bachelor- und Masterandin hin zur wissenschaftlichen Mitarbeiterin, und das in einem Fachgebiet, in dem es nicht so viele Frauen gibt: in der Verteidigungsforschung. Wir hatten die Gelegenheit, ihr ein paar Fragen zu stellen.
EMI: Wie bist Du in die Forschung gekommen, und hat Dich das EMI in irgendeiner Weise in Deiner Berufsfindung unterstützt?
Berger: In meinem vierten Semester Physik in Karlsruhe hat mich die Erkenntnis eingeholt, dass es wenig bis gar nichts Praktisches im Studium gab und alles sehr theoretisch und manchmal trocken war. An diesem Punkt habe ich mich nach mehr praktischer Erfahrung umgeschaut und bin auf das Fraunhofer EMI am Standort Efringen-Kirchen gestoßen. Damals dachte ich, dass die nur was mit Autos machen, habe aber trotzdem nach einem Praktikum oder einer Hiwi-Stelle angefragt und bin dann als wissenschaftliche Hilfskraft in der experimentellen Ballistik bei Axel Sättler gelandet. Zusätzlich hatte ich die Möglichkeit bekommen, meine Bachelorarbeit am EMI zu machen. Das war im ersten Moment gar nicht so einfach, weil keiner der Professoren in Karlsruhe anfänglich eine externe Arbeit betreuen wollte. Nach einigem Hin und Her hat das doch funktioniert. Anschließend bekam ich eine Stelle als technische Mitarbeiterin am EMI angeboten und bin geblieben, um vor meinem Masterstudium in Basel noch etwas Berufserfahrung zu sammeln.
EMI: Was interessiert Dich an der Verteidigungsforschung?
Berger: Es geht mir gar nicht so sehr um die Verteidigungsforschung an sich. Der Aspekt, den ich an meiner Arbeit besonders schätze, ist, dass wir am EMI sowohl Simulationen erstellen, als auch gleichzeitig die Möglichkeit haben, diese durch selbst durchgeführte Versuche aus eigener Hand zu überprüfen. Außerdem ist es toll, dass unsere Forschung Ergebnisse greifbar macht. Unsere Versuche finden meistens innerhalb von Millisekunden statt, aber wir können sie durch technische Hilfsmittel trotzdem sehr detailliert auswerten und mit einer Hochgeschwindigkeitskamera auch betrachten.
EMI: Wie sieht Dein Arbeitsalltag aus?
Berger: In meiner Gruppe bin ich hauptsächlich für die praktischen Versuche zuständig, aber es kommt stark darauf an, in welcher Phase sich die Arbeiten befinden. Wenn gerade viele Versuche anstehen, dann mache ich hauptsächlich das, ansonsten bin ich ebenfalls am Computer und werte Versuche aus oder unterstütze die Kollegen beim Programmieren.
EMI: Wie war es im Studium mit der Geschlechterverteilung? Ist das etwas was Dich beschäftigt und beeinflusst hat?
Berger: Das hatte keinen Einfluss auf mich. Mein Eindruck war aber, dass der Frauenanteil in den Vorlesungen mindestens bei dreißig Prozent lag, auch wenn ich nie nachgezählt habe. Mein Lern- und Freundeskreis während des Studiums bestand eigentlich nur aus Frauen. Jetzt am EMI ist das etwas anderes: Wir sind zwei Frauen in der Abteilung, von insgesamt zweiundzwanzig Personen, aber solange ich gut mit meinen Kolleg:innen auskomme, ist mir ihr Geschlecht egal.
EMI: Angenommen: »Der Versuchsplatz ist Dein«. Was würdest Du gerne machen wollen?
Berger: Wenn ich es mir mit unbegrenzten Mitteln aussuchen könnte, dann würde ich gerne das Thema aus meiner Bachelorarbeit aufgreifen. Mein Thema war Charakterisierung von Gasströmungen. Am Ende ging es darum, Geschwindigkeitsmessungen in Mündungsgasströmungen zu machen. Die Particel-Image-Velocimetry-Methode war damals sehr vielversprechend, aber die Ausrüstung hat den Anforderungen nicht genügt. Wenn meine Recherche stimmt, dann hat bisher noch niemand versucht, diese Methode für Mündungsgasströmungen zu verwenden. Diese Methode würde es mithilfe des Laserlichtschnittverfahrens möglich machen, in einem großen Bereich die Geschwindigkeitsverteilung der Gasströmung an einer Mündung zu beobachten und zu verfolgen, anstelle wie bisher immer nur an einzelnen Punkten.
EMI: Welche Menschen haben Dich auf Deinem Weg geprägt und unterstützt? Welche Role Models gab es für Dich?
Berger: Also, das sind jetzt vielleicht nicht die klassischen Role Models, aber ich bin ein großer Star-Trek-Fan. An den Vulkaniern hat mich immer begeistert, dass ihre Lebensweise darauf ausgerichtet ist, alle Probleme mit reiner Logik zu lösen. Für die Entscheidung, Physik zu studieren, war das sicherlich eine Inspiration. Während des Studiums dann hat mich außerdem ein Freund meines Vaters unterstützt. Dieser Freund hat sich selbst sehr für Physik interessiert, mir ab und zu Bücher geliehen und gerne wissenschaftliche Diskussionen geführt.
EMI: Was würdest Du Menschen raten, wenn sie Karriere in den Naturwissenschaften machen wollen?
Berger: Man sollte sich das vorher gut überlegen und sich im Klaren darüber sein, dass das Studium an sich sehr trocken sein kann. Demnach sollte man sich, wenn man was Praktisches machen will, frühzeitig eine Hiwi-Stelle suchen. Und das schon alleine, um eine Idee davon zu bekommen, in welchem Gebiet man sich vorstellen könnte später einmal zu arbeiten. Man kann sich dann zumeist ein besseres Bild davon machen, wie man sein weiteres Studium gestalten möchte. Ich zum Beispiel habe mich durch meine Arbeit mit Simulationsmodellen letztlich noch für Computational Physics als Schwerpunkt im Master entschieden.