Dummy-Strukturen aus dem 3D-Drucker

Surrogat- und Modellentwicklung von Rippenknochen

© PRIMUS Breakable Dummy der Firma Crashtest-Service GmbH
Vollansicht des Innenaufbaus vom PRIMUS Dummy.

Wie verhält sich der menschliche Thorax unter der Einwirkung von dynamischen Lasten? Eine Frage, die für viele Forschungsgebiete von entscheidender Bedeutung ist. Sei es bei der Erschließung neuer Sicherheitstechnologien im Bereich Automotive oder dem Erproben neuer Schutzkleidung in der Verteidigungsforschung. Forschende am EMI arbeiten an Möglichkeiten, um die Ergebnisse aus solchen Tests genauer und aussagekräftiger zu machen.
 

Die Weiterentwicklung von Dummys mittels additiver Fertigung

Dieses Ziel soll durch die Weiterentwicklung eines neuen, innovativen Dummys, dessen Knochenstrukturen möglichst optimal dem menschlichen Vorbild nachempfunden sind, erreicht werden. Der Herausforderung des Herstellens von Rippenknochensurrogaten mittels 3D-Druckverfahren stellen sich Marcin Jenerowicz aus der Arbeitsgruppe »Human Body Dynamics«  und weitere Wissenschaftler:innen aus der Gruppe »Additive Design and Manufacturing« des Ernst-Mach-Instituts. Die Surrogate sollen Informationen darüber geben, wann und unter welchen Krafteinwirkungen Strukturen des menschlichen Thorax Schäden erleiden.

Der PRIMUS Breakable Dummy der Firma Crashtest-Service GmbH (CTS) wird bereits in verschiedenen Bereichen als anthropomorphes Testgerät eingesetzt. Der CTS Dummy (50-Perzentil-Mann-Surrogat / M-50) ist in der Lage, authentische Fahrzeugschäden sowie Schäden an seinen eigenen strukturellen Komponenten darzustellen, um eine Übereinstimmung zwischen Dummy-Schäden und Verletzungswahrscheinlichkeit zu finden. Bislang wurden jedoch nur Validierungstests im Crash-Bereich durchgeführt, die die Validität und das globale strukturelle Verhalten (Flugbahn, Schäden an internen und externen Strukturen) des Dummys für bestimmte Unfallfolgen darstellen.

 

Skelettaufbau des Thorax vom PRIMUS Dummy. ©PRIMUS Breakable Dummy der Firma Crashtest-Service GmbH.

 

Ziel der aktuellen Forschungsarbeiten ist es, den direkten Vergleich von Surrogaten der 5. Rippe des CTS-PRIMUS-Dummys und der am Fraunhofer EMI additiv gefertigten Rippensurrogate mit Materialeigenschaften aus Post-Mortem-Human-Subject (PMHS)-Daten aus der Literatur zu vergleichen, um die Bewertung der Validierung der einzelnen Strukturen zu verbessern. Darüber hinaus werden Versuche aus der experimentellen Ballistik durchgeführt, um die hochdynamischen Eigenschaften der Strukturen zu untersuchen.

 

© Fraunhofer EMI
Rippensurrogat aus additiver Fertigung des Fraunhofer EMI (links) und des CTS PRIMUS Breakable Dummys (rechts).

 

Rippen allein machen keinen Dummy

Die Wehrtechnische Dienststelle für Schutz- und Sondertechnik (WTD 52), welche die Aufgabe hat, den Schutz der Truppe und deren Einrichtungen sicherzustellen, hat deshalb die Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr (HSU) in Hamburg damit beauftragt, ein Thorax-Surrogat für Beschusstests zu entwickeln. Dieses soll bessere Informationen über die Folgen der wirkenden Kräfte auf den menschlichen Körper liefern. Das Weichgewebe und andere relevante Komponenten für das Thoraxmodell werden dabei hauptsächlich von der HSU entwickelt. Die Entwicklung der Knochensurrogate sowie die Ausführung von hochdynamischen Tests mit unterschiedlichen Werkstoffen werden vom Fraunhofer EMI durchgeführt. 

 

Beispielhafte 3D-Digital-Image-Correlation Aufnahme der technischen Dehnung einer CTS-PRIMUS-Rippe zur Bestimmung der Bruchdehnung und des Dehnungsfelds über der sichtbaren Oberfläche. © Fraunhofer EMI

Stand der Forschung

Bisher wurden mit mehreren Werkstoffen dynamische Tests durchgeführt, um das Strukturverhalten von Rippenknochen nachzubilden. Das am EMI entwickelte Rippenmodell ist in dieser Form neu, da es die Geometrie (Außenkontur und Querschnittsflächen) der menschlichen Rippe (M-50) eins-zu-eins abbildet. Durch die Nutzung der additiven Fertigung (Laser Beam Melting) ist es möglich, diese hoch komplexe Struktur realitätsgetreu zu reproduzieren. Zu den Vorteilen des Herstellungsverfahrens gehören die hohe Präzision und die direkte Einstellbarkeit der Materialeigenschaften durch Variation der Prozessparameter.

Ausblick

Mithilfe neuer Prüfanlagen werden im nächsten Schritt Tests mit unterschiedlichen Dehnraten und Aufprallgeschwindigkeiten durchgeführt. Eine entsprechende Pendelschlaganlage befindet sich in der Entwicklung. Die Materialien werden weiterentwickelt und getestet. Ziel ist es, die aus der Literatur bekannten Kennwerte echter menschlicher Rippen möglichst genau zu erreichen. Die bisherigen Ergebnisse wurden in einem Vortrag (»Comparison of rib bone surrogates from additive manufacturing, cast material and PMHS data under dynamic loading«) von Marcin Jenerowicz auf der letzten IRCOBI 2022 Europe (International Research Council on Biomechanics of Injury) vorgestellt.

Darüber hinaus werden im Rahmen der Doktorarbeit von Marcin Jenerowicz »mesomechanische Simulationsmethoden zur prognosefähigen Analyse von Knochensurrogaten« entwickelt, die in ihrem Schädigungs- und Versagensverhalten mit menschlichen Knochen vergleichbar sind und eine bessere Validierungsgrundlage zu den Ballistischen-Experimenten liefern sollen.