Satellitenkonstellationen als strategische Schlüsseltechnologie

Satellitenkonstellationen sind essenziell für unabhängige Erdbeobachtung, Kommunikation und Navigation. Deutschland hat Nachholbedarf – doch Fraunhofer treibt mit innovativer Forschung und starken Partnern den Aufbau einer leistungsfähigen europäischen Infrastruktur voran.

© Fraunhofer EMI (using Midjourney)

Große Satellitenkonstellationen sind der Schlüssel für eine souveräne deutsche und europäische Weltrauminfrastruktur

Eine Satellitenkonstellation ist eine Gruppe von künstlichen Satelliten, die gemeinsam als System arbeiten und sich gegenseitig ergänzen. Megakonstellationen bestehen aus Hunderten bis Tausenden von Satelliten und ermöglichen eine globale Abdeckung mit minimalen Unterbrechungen, insbesondere für Erdbeobachtung, Kommunikation und Navigation. 

RapidEye war die erste deutsche kommerzielle Satellitenkonstellation, die aus fünf Erdbeobachtungssatelliten bestand. Am 29. August 2008 wurden die fünf je 156 kg schweren würfelförmigen Mikrosatelliten mit einer Kantenlänge von einem Meter von Baikonur, Kasachstan, mit einer Dnepr Rakete in eine sonnensynchrone Umlaufbahn von 630 km gestartet. An Bord war ein optisches Instrument zur Erdbeobachtung, das fünf Zeilenkameras enthielt, von denen jede 12000 Pixel hatte. Mit diesem Instrument konnten multispektrale Bilder von der Erdoberfläche in fünf Wellenlängenbereichen zwischen 440 nm (blau) und 850 nm (nahes Infrarot) aufgenommen werden. Mit dem optischen System ließ sich eine geometrische Auflösung am Boden von 6,5 Meter pro Pixel erzielen. Die Schwadbreite betrug 77 km, die maximale Länge des aufgenommenen Bildstreifens war 1500 km lang. Mit den fünf Satelliten ließ sich jeden Tag jeder Punkt der Erde aufzeichnen. 

Die kanadische Firma MDA war der Hauptauftragnehmer für das RapidEye-System, beauftragt durch die Firma RapidEye AG in Brandenburg. Die Firma SSTL in Guildford, UK, entwarf und fertigte den Satellitenbus, und das deutsche Unternehmen Jena-Optronik GmbH in Jena entwickelte und fertigte das optische Instrument, einschließlich Zeilenkameras. 

Zum Zeitpunkt des Starts von RapidEye gab es weltweit noch keine privat betriebene Erdbeobachtungskonstellation. Die Firma RapidEye AG leistete mit der ersten kommerziellen Erdbeobachtungs-Satellitenkonstellation also Pionierarbeit. Sie lieferte für diese Zeit eine hervorragende Bildqualität und Bodenauflösung. Gleichzeitig musste das Unternehmen damit hohe wirtschaftliche Risiken eingehen, da der Markt für Geodaten-Dienstleistungen noch nicht weit entwickelt war und die Digitalisierung von Unternehmen und Behörden oft noch in den Anfängen stand.

Das Geschäftsmodell der Firma RapidEye AG, das aus dem Verkauf hochaufgelöster optischer Erdbeobachtungsaufnahmen bestand, ging dann auch leider nicht lange auf. Als besonders problematisch für das Unternehmen entpuppte sich die 1998 getroffene gemeinsame Entscheidung der Europäischen Kommission und der europäischen Weltraumbehörde ESA, ein großes Erdbeobachtungsprogramm mit dem Namen Copernicus zu realisieren. Mit diesem Programm sollte ein unabhängiges europäisches Beobachtungssystem geschaffen werden, das seit dem Start des ersten Sentinel-Satelliten 2014 in Betrieb ist und unter anderem ähnlich hochauflösende Bilddaten wie RapidEye liefert – diese aber kostenfrei den weltweiten Nutzern zur Verfügung stellt. Das Unternehmen RapidEye AG, das mit seinen Dienstleistungen anfangs klare Alleinstellungsmerkmale hatte, wurde 2011 an die Planet Labs Germany in Berlin verkauft, einem Ableger des US-amerikanischen Unternehmens Planet Labs, das die Konstellation noch bis 2020 weiterbetrieb.

© Von Rmatt / CC BY-SA 3.0
RapidEye – Pionierarbeit aus Deutschland: Sie war die erste deutsche kommerzielle Satellitenkonstellation und bestand aus fünf Erdbeobachtungssatelliten.

Neue Akteure und technologische Entwicklungen in Deutschland

Lange Zeit hat sich im wirtschaftlichen Bereich der Erdbeobachtungskonstellationen in Deutschland nichts getan. Erfreulicherweise gibt es seit wenigen Jahren zunehmend junge Raumfahrtunternehmen, die in Marktnischen wirtschaftlich erfolgreich agieren. Hervorzuheben sind zwei Unternehmen: die Firma OroraTech mit Sitz in München, die seit 2022 bereits 11 Kleinsatelliten der FOREST-Konstellation mit Thermalinfrarotkameras zur Früherkennung von Waldbränden in erdnahe Umlaufbahnen verbracht haben, sowie die Firma constellr mit Sitz in Freiburg, die den ersten Satelliten Sky-Bee-1 der HiVE-Konstellation Anfang 2025 gestartet haben. Die HiVE-Konstellation ist mit thermischer Infrarottechnologie ausgestattet, mit der globale Landoberflächentemperaturen überwacht werden sollen, etwa um den Wasserverbrauch in der Landwirtschaft an den Klimawandel anzupassen und Hitzeinseln in Städten zu detektieren. 

Weitere Satellitenvorhaben in Deutschland im Bereich der Erdbeobachtung dienten bisher ausschließlich der Technologiedemonstration. 

Im Bereich der Satellitenkommunikation sind relevante Anwendungen vor allem das satellitengestützte IoT, M2M und Internet-Anwendungen. Einige Konstellationen von Unternehmen mit Sitz in Deutschland sind angekündigt, aber bisher noch ohne Markttätigkeit. Dieser wirtschaftlich außerordentlich interessante Bereich der Satellitenkommunikations-Anwendungen ist im Moment komplett von wenigen europäischen Akteuren und vor allem von US- und chinesischen Unternehmen dominiert.

Globale Marktentwicklung und Deutschlands Rückstand

Die globale Verteilung der Unternehmen, die Satellitenkonstellationen betreiben, beziehungsweise die Konstellationen im Aufbau haben, ist in obiger Abbildung nach dem Hauptsitz der Unternehmen zusammengestellt. In der Statistik sind insgesamt 411 Satellitenkonstellationen erfasst. Die Zahlen enthalten alle kommerziellen Konstellationsbetreiber, auch solche, die bis zu mehreren Jahren hinter ihrem Zeitplan zurückliegen oder deren Tätigkeit möglicherweise schon wieder beendet ist. Wegen der großen Dynamik im Markt für Satellitendienstleistungen schwanken die Zahlen und sind generell schwer zu erfassen. 

Allerdings ist die große Diskrepanz zwischen der Anzahl von Unternehmen in Deutschland auf der einen Seite, sowie Europa, USA und China auf der anderen Seite klar ersichtlich. Die USA sind mit 39 % aller Konstellationsbetreiber weit führend, gefolgt von China mit 10 %, UK mit 8 %, Kanada mit 5 % und Frankreich mit 4 %. Deutschland ist mit einem Anteil von 0,3 % weit abgeschlagen. 

2023 sind annähernd 40 Konstellationen gestartet worden, die ihre ersten Satelliten in den Weltraum verbracht haben. 2024 haben 23 Konstellationsbetreiber die ersten Satelliten gestartet und für 2025 erwarten wir nochmal höhere Zahlen. Der Trend zu mehr Satellitenkonstellationen in der Zukunft ist ungebrochen, die Zahlen steigen im Mittel exponentiell.

© Erik Kulu / NewSpace Constellations / www.newspace.im
Globale Verteilung der Konstellationsunternehmen mit ihren Hauptsitzen in den angegebenen Ländern. Die USA dominieren mit 39 %, während Deutschland nur 0,3 % der Konstellationen betreibt. Quelle: newspace.im (Stand 12/2024)

Forschung als Schlüssel zur europäischen Raumfahrtsouveränität

In den letzten zehn Jahren haben sich große Satellitenkonstellationen als entscheidender Bestandteil einer souveränen Raumfahrtinfrastruktur herausgebildet. Konstellationen bestehen meist aus kleinen Satelliten in niedrigen Erdorbits (LEO) und fungieren als Innovationsmotoren, die neue Anwendungen und Geschäftsmodelle ermöglichen. Die zunehmende Nachfrage nach Erdbeobachtungsdaten, schnellem Internet und digitalen Netzwerken führt weiterhin zu einer steigenden Abhängigkeit von den damit verbundenen Dienstleistungen, was ihre Relevanz für die deutsche und europäische Souveränität in den Bereichen Erdbeobachtung, Kommunikation und Navigation mit vielen Anwendungsbereichen wie beispielsweise zivile Sicherheit, Defence, Klimawandel, Telekommunikation, Landwirtschaft, Mobilität, Logistik, urbane Entwicklung, unterstreicht.

Die angewandte Forschung bei Fraunhofer spielt dabei eine wesentliche Rolle, die kommerzielle Leistungsfähigkeit der europäischen Raumfahrtindustrie zu beschleunigen. Beim Aufbau von Satellitenkonstellationen kann Fraunhofer mit innovativen Forschungsdienstleistungen und Forschungsprodukten einen entscheidenden Beitrag zum schnellen und kostengünstigen Aufbau einer deutschen und europäischen Raumfahrtinfrastruktur leisten. Mit mehr als 30 Instituten, die einen Schwerpunkt im Bereich von Raumfahrttechnologien und Raumfahrtanwendungen haben, ist Fraunhofer schon jetzt nahezu bei jeder deutschen und europäischen Raumfahrtmission mit Technologien vertreten, die von innovativen Komponenten bis hin zu Systemlösungen reichen. Die Fraunhofer-Allianz AVIATION & SPACE bündelt diese Aktivitäten und ist für die Industrie das Einfallstor zu Fraunhofer-Technologie.

Fraunhofer-Institute verfügen über die Technologie und das Know-how, Forschungsinfrastrukturen aufzubauen, mit der die Industrie zur agilen und ökonomischen Serienfertigung von Satelliten befähigt wird, einschließlich der benötigten Testverfahren zur Qualifizierung von Raumfahrtsystemen. 

Auf den nächsten Seiten stellen wir unsere aktuellen Forschungsbeiträge des EMI dar, die eine hohe Relevanz für die Forschung zum Aufbau von Satellitenkonstellationen haben. Mit ERNST betreiben wir erfolgreich den ersten Forschungssatelliten der Fraunhofer-Gesellschaft. Im Projekt VLEO Demonstrator untersuchen wir die technologischen Möglichkeiten zur Realisierung einer Satellitenkonstellation in extrem niedrigen Umlaufbahnen. Dabei spielt auch die Serienfertigbarkeit eine zentrale Rolle. Im Projekt NeT pioneer untersuchen wir gemeinsam mit der Industrie die Möglichkeiten zur effizienten und automatisierten Durchführung von Funktions- und Qualifizierungstests an Raumfahrtsystemen. 

Leistungsangebot