SMAUG – was passiert, wenn ein Luftfahrzeug mit einer Drohne kollidiert?

Validierte Simulationsmodelle geben Einblicke in mögliche Kollisionen von Flugzeugen und Helikoptern mit Drohnen.

 

Mit zunehmender Verbreitung von Drohnen steigt auch die Wahrscheinlichkeit für eine Kollision mit einem Flugzeug oder einem Helikopter. Ein umfassendes Verständnis des Impaktvorgangs ist dabei eine wesentliche Voraussetzung, um mögliche Kollisionen zu simulieren und anschließend zu bewerten.

 

Aktuell sind in Deutschland mehr als 400 000 Drohnen im Umlauf, die meisten davon werden privat genutzt. Ein Drohnenführerschein ist zwar für das Führen von Drohnen über 250 Gramm notwendig, dennoch kann eine Kollision mit einem Luftfahrzeug nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Folglich ist es von großem wissenschaftlichen Interesse zu erfahren, wie sich aktuelle Luftfahrtstrukturen bei Kollisionen mit Drohnen verhalten. Relevante Kollisionsszenarien orientieren sich dabei an typischen Start- und Landegeschwindigkeiten von Flugzeugen beziehungsweise an der Reisegeschwindigkeit von Helikoptern. Der zu berücksichtigende Geschwindigkeitsbereich läge somit etwa zwischen 50 und 150 Metern pro Sekunde. In SMAUG – Simulationsmethoden zur Analyse von Zusammenstößen zwischen Drohnen und Flugzeugen – wurden Simulationsmodelle für entsprechende Kollisionsszenarien entwickelt. Das Vorhaben wurde im Rahmen des Luftfahrtforschungsprogramms VI vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert.
 

Auswahl der Drohne

Experimentelle und numerische Untersuchungen in SMAUG wurden anhand des beliebten Quadrocopters DJI Mavic2 Zoom durchgeführt. Neben der weiten Verbreitung ist seine Masse von 907 Gramm (das entspricht zwei englischen Pfund) ein Auswahlkriterium gewesen. Durch Auswahl dieser Drohne konnte eine Analogie zu den Zulassungsvorschriften bei Kleinflugzeugen in Bezug auf Vogelschlag hergestellt werden, wo von einer Vogelmasse von zwei Pfund ausgegangen wird. Die ausgewählte Drohne besteht aus vier Armen, auf denen die Elektromotoren und Rotoren angebracht sind, sowie dem Rumpf, der Kamera und Batterie aufnimmt. Erste experimentelle Untersuchungen an den Komponenten Motor, Kamera und Batterie haben gezeigt, dass von den Motoren, aber insbesondere auch von der Batterie, ein besonderes Gefährdungspotenzial ausgeht. Die Batterie steht dabei aufgrund ihrer kompakten, aber sehr komplexen Bauform und der vergleichsweise hohen Masse von 292 Gramm besonders im Fokus.

© Fraunhofer EMI
Oben: Die DJI Mavic 2 Zoom – eine repräsentative Hobbydrohne mit einem Gewicht von circa einem Kilogramm. Unten: Computertomografie-Aufnahme der Drohne (aufgenommen in einer zusammengeklappten Konfiguration), orange hervorgehoben sind die Batteriezellen.

Charakterisierung der Drohnenbatterie

Die Charakterisierung der mechanischen Eigenschaften der Drohnenbatterie erfolgte mit einem sogenannten Pyramidenansatz. Dabei wird das Verständnis des Gesamtsystems aufbauend auf dem Verhalten der einzelnen Komponenten und Materialien entwickelt. Die Drohnenbatterie, welche im Wesentlichen aus einem Kunststoffgehäuse, vier Batteriezellen sowie Platinen und Kabeln besteht, wurde zerlegt und mit optischen Methoden vermessen. Zur Bestimmung von Materialkennwerten für die Simulation wurden Proben an ausgewählten Stellen entnommen und anschließend mechanisch geprüft. In einem nächsten Schritt wurde das mechanische Verhalten der Gesamtbatterie in Längs- und Querrichtung ermittelt. Anhand von statischen Druckversuchen konnten so die Steifigkeit und das Versagensverhalten der Batterie bestimmt werden.

 

Batteriemodell: Entwicklung, Validierung und Anwendung

Die fundierten experimentellen Daten bildeten eine sehr gute Grundlage für den Aufbau eines hochaufgelösten Simulationsmodells der Batterie. Allerdings kann mit dem beschriebenen Vorgehen ein für das Vorhaben wesentliches Phänomen noch nicht ausreichend erfasst werden: das Zerschellen der Drohnenbatterie bei höheren Geschwindigkeiten. Daher wurden an einem hierfür speziell adaptierten Prüfstand Impaktversuche im luftfahrtrelevanten Geschwindigkeitsbereich von 100 Metern pro Sekunde durchgeführt. Mithilfe von Hochgeschwindigkeitskameras konnten somit das Aufbrechen des Gehäuses und das Fragmentieren der verbauten Batteriezellen optisch zugänglich gemacht werden. Das Fragmentieren der Batteriezellen soll in der Simulation durch einen Wechsel der Berechnungsmethode abgebildet werden: Die Batteriezellen werden zu Beginn des Aufpralls, so wie auch die anderen Komponenten, durch eine netzbasierte Methode (FEM, Finite-Elemente- Methode) beschrieben. Bei größeren Deformationen erfolgt dann eine Umwandlung in eine partikelbasierte Beschreibung (SPH, Smooth Particle Hydrodynamics). Durch diese adaptive Umwandlung gelingt es, das experimentelle Impaktverhalten der Batterie qualitativ und quantitativ zu simulieren. Nach der Validierung anhand der durchgeführten Impaktexperimente wurde die Anwendbarkeit des entwickelten Modells getestet. Dafür wurde der Impakt der Batterie auf die Windschutzscheibe einer generischen Helikopterstruktur modelliert. Helikopter sind dabei aufgrund ihrer vergleichsweisen niedrigen Flughöhe und ihrem Einsatz in bewohntem Gebiet von besonderer Relevanz. In den virtuell untersuchten Kollisionsszenarien kam es zwar zu einer starken Deformation der Windschutzscheibe, allerdings nicht zu einem Aufreißen.

Mit Abschluss des Projekts SMAUG steht somit ein validiertes Modell einer Drohnenbatterie zur Verfügung. In einem nächsten Schritt ist nun geplant, ein Simulationsmodell der gesamten Drohne zu entwickeln, um damit zukünftig das Verhalten von Luftfahrtstrukturen bei Kollisionen mit Drohnen virtuell zu untersuchen.

© Fraunhofer EMI
Simulierter Impakt der Drohnenbatterie auf eine Prallplatte. Die finiten Elemente der Batteriezellen (orange) werden bei starker Deformation (nach 0,5 Millisekunden) in Partikel (rot) umgewandelt.

Impakt auf Luftfahrzeuge

Zukünftig soll eine Auslegung von Luftfahrtstrukturen gegenüber Impaktvorgängen überwiegend virtuell, d. h. basierend auf Simulationsmodellen, erfolgen.

Experimentelle Impaktversuche bilden eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung eines detaillierten Modells einer Drohnenbatterie.

Die Gefahr einer Kollision zwischen Drohne und Luftfahrzeug besteht insbesondere in urbanen Gebieten.