Einsatz kommerzieller »System on a Chip« Designs an Bord von Kleinsatelliten

© NASA/Van Allen Probes/Goddard Space Flight Center
Die Van-Allen-Strahlungsgürtel sind ringförmige Bereiche des erdnahen Weltraums, in denen energiereiche geladene Teilchen im Erdmagnetfeld gefangen sind.

Kleinsatelliten entwickeln sich in verschiedenen Anwendungsgebieten zunehmend zu ernst zu nehmenden Alternativen zu konventionellen Satellitenplattformen. Durch die Verwendung kommerziell verfügbarer Komponenten ist es möglich, Kleinsatelliten mit leistungsfähiger Hardware zu vergleichsweise geringen Kosten zu entwickeln. Besonders fortschrittlich war der Trend zur Integration verschiedener Elemente eines Mikroprozessorsystems oder sogar mehrerer Mikroprozessoren und Field Programmable Gate Arrays (FPGAs) auf einen einzigen Chip, einem sogenannten System on a Chip (SoC). Dies führte dazu, dass heutzutage eine Vielzahl leistungsfähiger und trotzdem energiesparender Rechnersysteme auf dem Markt angeboten wird. Ausgestattet mit modernen SoCs haben auch Kleinsatelliten das Potenzial, trotz Einschränkungen in Gewicht, Größe und bereitgestellter elektrischer Leistung anspruchsvolle Datenverarbeitungsaufgaben wie zum Beispiel KI-basierte Datenanalysen bereits im Orbit zu erledigen. Da handelsübliche SoCs jedoch nicht für den Einsatz im Weltraum vorgesehen sind, verkürzt sich dort ihre mögliche Einsatzdauer und Zuverlässigkeit erheblich. Bis zu einem gewissen Grad lässt sich dies aufgrund der geringen Start- und Entwicklungskosten in Kauf nehmen, eine zu hohe Ausfallrate ist aber problematisch für den professionellen Einsatz von Kleinsatelliten. Um dennoch die Vorteile moderner, kommerzieller Hardware im Orbit nutzen zu können, müssen daher Maßnahmen getroffen werden, um die Zuverlässigkeit und Lebensdauer der Komponenten zu verbessern.

Die Strahlungsumgebung im Erdorbit

Besonders herausfordernd für den Betrieb kommerzieller Elektronik an Bord von Raumfahrzeugen sind die starken Temperaturschwankungen und die Strahlung, der sie dort ausgesetzt ist. Viele SoCs sind jedoch, da sie auch in autonomen Fahrzeugen und im Industrieumfeld eingesetzt werden, bereits an einen großen Temperaturbereich angepasst. Wesentlich problematischer für den Einsatz von kommerziellen SoCs ist die Strahlungsumgebung im Weltraum. Neben elektromagnetischer Strahlung sind Raumfahrzeuge unentwegt Bestrahlung durch hochenergetische Partikel wie Elektronen, Protonen oder Ionen ausgesetzt. Treffen diese auf das Halbleitermaterial eines elektronischen Bauteils, kommt es dort zu Ladungs- und Kennlinienverschiebungen und in Folge dessen zu Degradierung, Bitfehlern und Kurzschlüssen.

Um negative Strahlungseffekte in Halbleitern zu vermeiden, nutzen konventionelle Raumfahrzeuge meist spezielle, strahlungsharte Elektronik. Diese benötigt im Allgemeinen deutlich mehr Energie, ist weniger leistungsfähig, sehr teuer und schlecht verfügbar und ist daher in der Regel nicht für den Einsatz in Klein- und Nanosatelliten geeignet.

Eine Abschirmung der Kleinsatellitenelektronik gegen Strahlung ist, soweit physikalisch überhaupt sinnvoll, aufgrund des begrenzten Masse- und Volumenbudgets ebenfalls nur eingeschränkt möglich. Aus diesen Gründen werden bei Klein- und Nanosatellitenmissionen üblicherweise nur Maßnahmen zur Detektion und Behebung von durch Strahlung ausgelösten Fehlern eingesetzt.

Maßnahmen zur Erhöhung der Zuverlässigkeit

Eine gängige und in Kleinsatelliten oft auch die einzige angewandte Methode zur Detektion von Fehlern in einem Satellitensubsystem ist die Überwachung des Stromverbrauchs, der durch bestimmte Strahlungseffekte sprunghaft ansteigen kann. Wird das betroffene System im Fehlerfall schnell genug abgeschaltet, kann die Zerstörung des Systems durch das Strahlungsereignis verhindert werden. Eine weitere einfache Maßnahme ist ein sogenannter »Watchdog«. Dabei handelt es sich um einen externen Zähler, der regelmäßig zurückgesetzt werden muss, sonst startet er das von ihm überwachte Subsystem neu. Aufwendiger ist die redundante Auslegung eines ganzen Subsystems. Die redundanten Systeme arbeiten entweder parallel und ein Entscheider vergleicht die Ergebnisse, oder ein System arbeitet im Normalbetrieb und wird vom redundante System überwacht, welches im Fehlerfall die Aufgaben des ersten Systems übernimmt.

Mit modernen, heterogenen Multiprozessor SoCs, bei denen mehrere unterschiedliche Prozessoren auf einem einzigen Chip zusammengefasst sind, lassen sich die bestehenden Redundanz- und Watchdog-Ansätze weiterentwickeln, um die Zuverlässigkeit SoC-basierter Datenverarbeitungssysteme an Bord von Kleinsatelliten weiter zu verbessern. Die enge Kopplung der einzelnen Prozessoren auf dem SoC ermöglicht es schneller und präziser als mit Watchdogs sowie gleichzeitig energie- und platzsparender als mit redundanten Systemen im Betrieb auftretende Fehler zu erkennen und zu korrigieren.

Die Entwicklung und Validierung derartiger neuer Maßnahmen zur Erhöhung der Zuverlässigkeit von SoCs an Bord von Kleinsatelliten ist Gegenstand aktueller Forschungen am Fraunhofer EMI. Die Validierung der erarbeiteten Konzepte erfolgt dabei sowohl durch die Simulation von Strahlungseffekten auf einem SoC-Testsystem als auch in einer geplanten In-Orbit Demonstration.

© Fraunhofer EMI
MSoC Modul: ein moderner MPSoC vereint mehrere Mehrkernprozessoren samt Peripherie und programmierbarer Logik in einem einzigen Chip.