Untersuchung eines Detektionskonzepts für Impaktplasma

Untersuchung eines Detektionskonzepts für Impaktplasma

© NASA
Abb. 1: Sternschnuppe, von der Internationalen Raumstation aus beobachtet.
© Fraunhofer EMI
Abb. 2: Kombination von Hochgeschwindigkeitsaufnahmen in Pseudofarbendarstellung, die eine Impaktplasmawolke zu verschiedenen Zeitpunkten ihrer Ausbreitung zeigt. Die Position und Größe des Projektils vor dem Impakt sowie die Impaktbedingungen (Material, Größe, Geschwindigkeit, Winkel) sind gegeben.
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Abb. 3: Spektrogramme des WAVES-Experiments auf den Satelliten STEREO A (oben) und B (unten) nach [5]. Das Experiment nutzt drei sechs Meter lange Monopolantennen zur Messung von Fluktuationen des lokalen Umgebungsplasmas. Im gezeigten Spektrogramm wurden auf STEREO A zusätzlich Störsignale durch Hypervelocity-Impakt detektiert, die als intensive, diskontinuierliche Anomalien erscheinen.

Jährliche Meteorströme, besonders die Perseiden im August und die Geminiden im Dezember, sorgen für aufsehenerregende Leuchterscheinungen am nächtlichen Himmel. Wenn Meteoroiden wegen ihrer hohen Geschwindigkeit von bis zu mehreren zehn Kilomentern pro Sekunde beim Eintritt in die Erdatmosphäre eine Plasmaspur hinterlassen, sind diese für uns als Sternschnuppen sichtbar. Die Meteoroiden entstammen Kollisionen und Zersetzungen von astronomischen Kleinkörpern, vor allem Kometen und Asteroiden. Ihre geringe Größe und ihre hohe Geschwindigkeit erschweren die Erforschung der Meteoroiden. Daten über die Häufigkeit ihres Auftretens und ihre grundlegenden Eigenschaften wie Größe, Dichte und chemische Zusammensetzung sind mit einer großen Ungewissheit behaftet, weil sie zumeist indirekt, z. B. durch die Radarbeobachtung von Sternschnuppen, bestimmt werden. Das macht den Hochgeschwindigkeitseinschlag von Meteoroiden auf Raumfahrtsystemen zu einer der unbestimmtesten Umwelteinflüsse der Weltraumumgebung.

Das Fraunhofer EMI widmet sich seit Jahren der Untersuchung dieser Hochgeschwindigkeitseinschläge, die im Fachjargon als Hypervelocity-Impakt bezeichnet werden. In richtungsweisenden Studien werden hier mit einzigartigen experimentellen Möglichkeiten die Phänomene und Effekte des Hypervelocity-Impakts sowie deren Konsequenzen für Raumfahrtsysteme untersucht. Meist liegt der Fokus dieser Arbeiten auf den mechanischen Effekten wie der Fragmentierung und Perforation der Raumfahrtkomponenten. Bevor diese mechanischen Effekte im Impaktprozess zur Geltung kommen, gibt es allerdings ein  weiteres, kurzzeitiges Phänomen: Die Ausbreitung einer Plasmawolke, das sogenannte Impaktplasma, ist in Abbildung 2 gezeigt. Das Impaktplasma resultiert aus den extremen Druck- und Temperaturbedingungen, die beim Aufschlag des Meteoroiden auf der Oberfläche eines Satelliten entstehen. Durch Stoßwelleneffekte wird das Material des Meteoroiden und der Oberfläche derart  komprimiert, dass es bei der anschließenden Entlastung einen Phasenwechsel zum gasförmigen und den Plasmazustand erfährt. Das dabei entstehende, ionisierte Gasgemisch expandiert rasch über die Oberfläche des Satelliten, wobei es schlagartig an Dichte und Temperatur verliert.

Da die Eigenschaften des Impaktplasmas von den Bedingungen des Impakts, z. B. Einschlagwinkel und -geschwindigkeit, sowie von der Beschaffenheit des Meteoroiden abhängen, kann durch die Messung des Impaktplasmas auf diese Parameter zurückgeschlossen werden. Für diesen Zweck kamen auf einer Vielzahl von interplanetaren Raumfahrtmissionen Ladungsdetektoren zum Einsatz. Das sind ausgereifte, komplexe Messinstrumente, die Ladungsträger eines Impaktplasmas durch elektrische Felder extrahieren, um dessen chemische Zusammensetzung zu untersuchen (z. B. [1], [2], [3]). Gleichzeitig werden Impaktereignisse unfreiwillig als Störsignale in Radioastronomie und Weltraumplasmaexperimenten detektiert. Als Beispiel sind in Abbildung 3 Spektrogramme der WAVES-Instrumente auf den Satelliten STEREO A und B gezeigt. Während beide Satelliten ähnliche Intensitäten des Umgebungsplasmas messen, erfährt STEREO A zusätzlich Anomalien, die der Erzeugung und Ausbreitung von Impaktplasma zugeschrieben werden [4]. 

 

 

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Abb. 4a: Simulation von Impaktplasma. Gleichgewichtszusammensetzung eines Impaktplasmas während der Expansion.
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Abb. 4b: Elektronendichte von auf zehn Zentimeter expandierte Impaktplasmen für variierte Impaktbedingungen. Die Konturen kennzeichnen die Fluenz der Meteoroiden.
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Abb. 5a: Simulation der Antennensignale. Schema der Simulation der Wechselwirkungen zwischen dem aus einem spezifischen Impakt (grün) resultierenden Impaktplasma und einer definierten Antenne (blau).

Die Messung von Störsignalen auf Antennen durch Hypervelocity-Impaktplasma warfen die Frage auf, ob und unter welchen Bedingungen die zugrunde liegenden Effekte als ein einfaches und effektives Verfahren zur Detektion von Impaktplasma und der Eigenschaften der verursachenden Impakts verwendet werden können. Dieser Frage ging das Fraunhofer EMI in einer durch die ESA geförderten Studie nach. Die Studie basiert auf numerischen Simulationen, durch die ein möglichst weiter Parameterraum untersucht werden kann, der die experimentell zugänglichen Bereiche weit übertrifft. Für die Plasmasimulationen wurde ein am Fraunhofer EMI entwickeltes Impaktplasmamodell eingesetzt. Abbildung 4 zeigt verschiedene Merkmale der Plasmasimulationen. Ausgehend von der Simulation des Stoßzustands wird die Zusammensetzung und Ionisation (a) der Plasmawolke bestimmt. Innerhalb der Wolke stellen sich Dichtegradienten der verschiedenen Konstituenten des Impaktplasmas ein (b). Das Modell erlaubt es, Eigenschaften des Impaktplasmas in Abhängigkeit zu den Impaktparametern darzustellen (b). Die durch das expandierende Impaktplasma auf einer Antenne erzeugten Signale hängen vom Impaktort, den Abmaßen und der Verdrahtung der Antenne sowie dem Potenzial des Satelliten ab. Wie in Abbildung 5 exemplarisch dargestellt, wurden diese Parameter für die Simulation variiert, um eine praktische Antennenkonfiguration zur Extraktion von Impaktparametern aus den gemessenen Antennensignalen zu finden. Dabei wirken unterschiedliche Mechanismen der Signalerzeugung wie die direkte Messung der Ladungsträgerunterschiede innerhalb der Wolke oder die Störung des Antennenpotenzials durch die Wolke.

Eine wichtige Erkenntnis der Studie ist, dass die Emission von Elektronen durch die Wechselwirkungen mit den schnellen Ionen der Wolke das deutlichste Signal hervorruft und am besten zur Detektion geeignet ist. Die parametrische Analyse der simulierten Antennensignale zeigte, dass sich mit einer einfachen Antennenanordnung grundlegende Impakteigenschaften wie Geschwindigkeitsvektor, Impaktort und Meteoroidengröße zurückverfolgen lassen. Das in Abbildung 6 dargestellte Array aus sechs Antennen mit 40 Zentimetern Länge und 30 Zentimetern Zwischenabstand ist ausreichend, um Impaktort und Geschwindigkeit mit weniger als fünf Prozent und die Meteoroidenmasse mit weniger als 15 Prozent aus den gemessenen Antennensignalen abzuleiten. Eine Roadmap für weiterführende Arbeiten zur experimentellen Bestätigung, Optimierung und technischen Umsetzung des Detektionskonzepts wurde definiert. Bestechend durch seine Einfachheit kann es dazu beitragen, die Partikelumgebung im Orbit besser zu erfassen. 

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Abb. 5b: Signalamplitude als Funktion der Positionierung der Antenne.
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Abb. 6: Exemplarische Detektorkonfiguration. Zur Ableitung von Impaktparametern aus den detektierten Signalen werden Triangulation und aus den Plasmasimulationen abgeleitete Fitfunktionen verwendet.

Referenzen 

[1] Dietzel, H., Eichhorn, G., Fechtig H. et al. (1973). The HEOS 2 and HELIOS Micrometeoroid Experiments. Journal of Physics E: Scientific Instruments, 6, 209–217.

[2] Göller, J. R., Grün, E., Maas, D. (1987). Calibration of the DIDSY-IPM Dust Detector and Application to Other Impact Ionisation Detectors on Board the P/Halley Probes. Astronomy and Astrophysics, 187, 693–698.

[3] Srama, R., Ahrens, T. J., Altobelli, N. et al. (2004). The CASSINI Cosmic Dust Analyzer. Space Science Reviews, 114, 465–518.

[4] Meyer-Vernet, N., Zaslavsky, A. (2012). In situ Detection of Interplanetary and Jovian Nanodust with Radio and Plasma Wave Instruments. I. Mann, N. Meyer-Vernet, A. Czechowski (Hrsg.): Nanodust in the Solar System: Discoveries and Interpretations, Springer.

[5] Kaiser, M. (NASA official). Data Plots for STEREOWAVES and other Instruments. http://swaves.gsfc.nasa.gov/cgi-bin/wimp.py – Aktualisierungsdatum: 5.11.2013.