Ablenkung von Asteroiden

Ablenkung von Asteroiden

© Fraunhofer EMI
Das entgegen der Einschlagsrichtung ausgeworfene Material (Ejekta).

Wie andere Planeten und Monde ist auch die Erde der Gefahr ausgesetzt, dass sich Himmelskörper wie Asteroiden auf einem Kollisionskurs mit ihr befinden und auf der Erdoberfläche einschlagen können. Aufgrund der großen Massen und der extrem hohen Geschwindigkeiten können durch ein solches Ereignis enorme Zerstörungen hervorgerufen werden.

Um eine Kollision zu vermeiden, könnte der sich annähernde Asteroid frühzeitig durch den Impakt eines Raumfahrzeugs als kinetischer Impaktor auf eine geringfügig andere Bahn abgelenkt werden. In den Hypervelocity-Impaktlaboren am Fraunhofer EMI kann untersucht werden, welche Impulsänderung sich für derartige Asteroiden in Abhängigkeit ihrer Struktur und Zusammensetzung erreichen lässt. Mit diesen Ergebnissen ist es möglich, eine solche Schutzmaßnahme auszulegen.

Eine aussichtsreiche Methode zur Ablenkung von Himmelskörpern von einem Kollisionskurs mit der Erde stellt der Impulstransfer durch einen kinetischen Impaktor dar. Ein als kinetischer Impaktor ausgelegtes Raumfahrzeug besitzt einen durch seine Masse m und seine Geschwindigkeit v bestimmten Impuls. Allerdings kann bei einem Hypervelocity-Impakt der Impulsübertrag überhöht sein: Idealerweise zeigt der Impulsvektor bei dem Impakt senkrecht zur Flugbahn des Himmelskörpers durch den Schwerpunkt des Objekts, um eine optimale Ablenkung aus der Bahn zu erzielen. Neben dem bloßen Impulsübertrag durch den Stoß des Impaktors wird beim Hypervelocity-Impakt auch Material von dem Himmelskörper bei der Kraterbildung entgegen der Einschlagsrichtung ausgeworfen. Diese Auswurfsmasse (Ejekta) erzeugt eine Rückstoßwirkung (Abbildung oben), die eine zusätzliche Impulskomponente beiträgt. Diese Komponente kann speziell bei spröden Gesteinen deutlich größer als der reine Impulsübertrag durch den Impaktor sein. Der Effekt wird daher als Impulserhöhung bezeichnet.

In Laborversuchen am Fraunhofer EMI wird nun im kleinen Maßstab dieser Effekt genauer untersucht, bei dem ein Raumfahrzeug auf eine asteroidenähnliche Oberfläche als kinetischer Impaktor einschlägt. Das Raumfahrzeug wird dabei durch ein "Projektil" mit einer kompakten Aluminiummasse repräsentiert. In den Laborversuchen werden unterschiedliche Materialien mit asteroidenähnlichen Eigenschaften beispielsweise aus dichtem Quarzit, porösem Sandstein oder hochporösem Porenbeton  zur Messung des Impulsübertrags auf ein ballistisches Pendel gestellt und mit millimetergroßen Aluminiumprojektilen beaufschlagt. Mit Porositäten zwischen 3 Prozent und ca. 90 Prozent sollen die ausgewählten Gesteine ein großes Spektrum an asteroidenähnlichen Materialien und deren Verhalten unter Impaktbedingungen abbilden. 

Impaktgeschwindigkeiten von bis zu 9,5 Kilometern pro Sekunde können mit der Space Gun, einer der leistungsfähigsten Beschleunigeranlagen weltweit, im Fraunhofer EMI erreicht werden. Solche hohen Impaktgeschwindigkeiten werden benötigt, um der für den Fall einer realen Mission von der Raumfahrtindustrie anvisierten Aufprallgeschwindigkeit einer Mission mit kinetischem Impaktor möglichst nahe zu kommen. Zur quantitativen Messung des Impulsübertrags wird der Ausschlag des Pendels mithilfe von Hochgeschwindigkeits-Videokameras und Laserinterferometern gemessen. Bei ersten Impaktversuchen mit Geschwindigkeiten von bis zu 7 Kilometern pro Sekunde wurde ein um den Faktor 4 erhöhter Impulsübertrag beobachtet. Es konnte auch beobachtet werden, dass bei zunehmender Porosität des Asteroidengesteins die Impulserhöhung abnimmt. Weiterhin zeigen die Ergebnisse die Tendenz, dass die Impulserhöhung mit zunehmender Impaktgeschwindigkeit zunimmt. Beim hochporösen Porenbeton war zu beobachten, dass ab einer Grenzgeschwindigkeit eine weitere Geschwindigkeitserhöhung nicht mehr zu einer Steigerung der Impulserhöhung führt. 

Diese ersten Erkenntnisse werden durch weitere Experimente verfeinert und wissenschaftlich analysiert. Der Effekt der Impulserhöhung ist also besonders effizient für dichte, schwere Himmelskörper. Durch die hohen Masseunterschiede zwischen einem Asteroiden und kinetischem Impaktor wird in einem realen Weltraumexperiment der Asteroid durch den Einschlag des kinetischen Impaktors nur um wenige Zentimeter pro Sekunde von seiner Bahn abgelenkt. Zu einem hinreichend frühen Zeitpunkt kann dies ausreichen, um die Asteroidenbahn nach einigen Jahren aus dem Kollisionsbereich herauszulenken. Es gilt, die Auslegungs­möglichkeiten eines kinetischen Impaktors zu untersuchen, um einen möglichst hohen Impulsübertrag zu erreichen. Dabei ist eine besondere Herausforderung, dass ein großer Anteil der Asteroiden aus Gesteinshaufen besteht, die unter Wirkung ihrer schwachen Gravitationskraft locker zusammen gehalten werden, was durch eine hohe Makroporosität beschrieben wird. Im Unterschied zu einem kompakten Körper wird erwartet, dass Gesteinshaufen durch einen Impakt auch auseinandergetrieben werden können und dadurch der Impulstransfermechanismus komplett anders beschrieben werden muss. Hierfür werden zurzeit entsprechende Versuche im Labormaßstab geplant. 

Die wissenschaftlichen Untersuchungen zum Impulstransfer sind Teil des von der EU im siebten Rahmenprogramm geförderten Weltraumprojekts "NEOShield-Preparing to Protect the Planet", das von Professor Dr. Alan Harris vom DLR Institut für Planetenforschung koordiniert wird. Hier arbeiten Wissenschaftler aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Spanien, den USA, Russland und der Schweiz gemeinsam mit europäischen Raumfahrtfirmen an Lösungen, um die Erde vor erdbahnkreuzenden Asteroiden zu schützen. Bis Mitte 2015 soll eine Satellitenmission zur Asteroidenablenkung durch einen kinetischen Impaktor konzipiert sein, dessen Wirksamkeit und Auslegung auf Grundlage der Impakt-Forschungsergebnisse am Fraunhofer EMI analysiert werden kann.