Sicherheit von Zünd- und Anzündmitteln

Zünd- und Anzündmittel sind sprengstoffhaltige, einmalig verwendbare Komponenten, die für die Auslösung einer detonativen Umsetzung oder des Abbrandes einer Explosivstoffladung verwendet werden. Sie werden nicht nur im Verteidigungsbereich, sondern auch in der Automobilbranche (zum Beispiel bei Airbags), in der Luft- und Raumfahrt sowie im Bergbau eingesetzt. Da ihre Anwendung immer sicherheitskritisch ist, müssen Zünd- und Anzündelemente sicher und zuverlässig sein. Das bedeutet, dass sie genau dann korrekt auslösen, wenn sie mit dem spezifizierten Auslösesignal angesprochen werden und nur dann, auch nicht bei etwaigen Störeinflüssen.

Wegen des immer umfangreicher werdenden Einsatzes von elektromagnetisch strahlenden Systemen (Mobilfunk, Radio, Radar etc.) ist die Sicherheit von elektrischen Zündmitteln (Electro-Explosive Device, EED) zunehmend unter dem Aspekt der Auswirkungen möglicher Störeinflüsse zu betrachten, die in elektrischen Leitern wie Anschlussdrähten und Kabeln durch elektromagnetische Strahlung induziert werden können. Es muss sichergestellt werden, dass derartige elektromagnetische Störeinflüsse nicht zu einer unerwünschten Auslösung des Zündmittels führen. Fachwissenschaftler des EMI arbeiten seit vielen Jahren kontinuierlich an dieser Thematik mit ihren zahlreichen Facetten und sind aktive Mitglieder des nationalen Normenausschusses NA 140‑00‑20‑06 UA.

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Beispiel für ein elektrisches Zündmittel, die HX20 Zündpille.

Die thermische Zeitkonstante als sicherheitstechnische Kenngröße

Die sicherheitstechnischen Kenngrößen von Zündmitteln werden durch entsprechende Versuche bestimmt. Von zentraler Bedeutung ist hierbei die thermische Zeitkonstante, welche die thermodynamische Reaktion auf eine zugeführte elektrische Leistung charakterisiert. Die Messung ist verpflichtend und nach normierten Messvorschriften durchzuführen. Üblicherweise ist hierfür eine erhebliche Anzahl an mit hohem Aufwand durchzuführenden Zündversuchen erforderlich.

Die am Fraunhofer EMI neu designte Spezialprüfkammer reduziert den Aufwand, da sie speziell auf die Sicherheitsanforderungen bei der Prüfung von Zündmitteln ausgelegt ist und eine schnelle Versuchsdurchführung erlaubt. Mit der Versuchskammer werden neben dem Normverfahren zur Bestimmung der thermischen Zeitkonstante auch alternative Untersuchungsverfahren betrachtet. Diese Zündversuche ermöglichen es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am EMI, aufgestellte theoretische Modelle für die thermische Zeitkonstante zu untersuchen.

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Elektrothermisches Simulationsmodell eines Drahtbrücken-EEDs zur Bestimmung des elektrothermischen Wirkungsgrads.

Sicherheit gegenüber elektromagnetischer Strahlung im Ultrabreitbandbereich

Die nach Normvorschrift bestimmte thermische Zeitkonstante charakterisiert das Verhalten eines EEDs gegenüber elektromagnetischen Störpulsen mit Pulsdauern über zehn Mikrosekunden. Für hochfrequente elektromagnetische Störpulse mit Pulsdauern unter zehn Mikrosekunden werden Störsignale, wie sie durch die momentane Ausbreitung neuartiger Radare und Mobilfunkanwendungen immer wahrscheinlicher werden, nicht in geeigneter Weise durch die thermische Zeitkonstante berücksichtigt. Um Sicherheitseinschätzungen von Zündmitteln in solchen Umgebungen zu ermöglichen, wird am EMI ein physikalisches Simulationsmodell aufgestellt. Das Simulationsmodell soll es ermöglichen, den elektrothermischen Wirkungsgrad beziehungsweise die Empfindlichkeit von Zündmitteln gegenüber hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung systematisch von den in der Simulation getroffenen, physikalischen Annahmen abzuleiten. Nach der Modellvalidierung mit Messdaten soll das Simulationsmodell die Beurteilung ermöglichen, ob ein Zündmittel für die in der Simulation angenommene elektromagnetische Umgebung sicher ist oder nicht.

Der Sprengstoff und seine Initiierung – erweiterte Analysemöglichkeiten

Für die Sicherheit von Zündmitteln im Allgemeinen ist auch das Verständnis des Initiierungsprozesses unabdingbar, zum Beispiel hinsichtlich der Temperaturempfindlichkeit oder der Stoßfestigkeit. Mit dem bei uns am EMI vorliegenden Know-how und der vorhandenen, einzigartigen Messtechnik haben wir beispielsweise ein auf die Initiierung hin optimiertes Design für ein wesentliches Element, die Zündbrücke, mitentwickelt. Eine neue Ultrakurzpulslasertechnik wurde für die Prüfung von neuen Schichtzündmittel etabliert. Gegenstand unserer aktuellen Untersuchungen in diesem Bereich ist der Pressvorgang von Sprengstoffpulvern zu Pellets. Dieser Prozessierungsschritt hat großen Einfluss auf das Initiierungsverhalten des Explosivstoffes. Es wird angestrebt, den Pressvorgang mittels Simulationsmodellen zu erfassen und prädiktiv zu beschreiben.  

 

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Neu aufgebaute Spezialprüfkammer zur Bestimmung der thermischen Zeitkonstante und für Zündversuche mit elektrischen Zündmitteln im Allgemeinen.