Schädigungsmodell zur Laserwaffenwirkung auf Kompositstrukturen

Mit den Fortschritten in der Lasertechnologie sind seit einigen Jahren kompakte und effiziente Lasersysteme verfügbar, die hohe Ausgangsleistungen von einigen 10 Kilowatt bei einer gleichzeitig sehr guten Strahlqualität aufweisen und somit auch über große Entfernungen fokussiert werden können. Dies ermöglicht zukünftige militärische Anwendungen. Derzeit wird von verschiedenen Nationen das Potenzial derartiger Lasersysteme als Effektor für eine Laserwaffe untersucht. Experten gehen davon aus, dass die Weiterentwicklung der Technologie Leistungen in der Klasse von 100 Kilowatt ermöglichen wird.
 

Untersuchungsmöglichkeiten zur Laserwirkung am Fraunhofer EMI

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen stellt sich für die Bundeswehr die Frage, inwiefern zukünftige Systeme auch robust gegenüber der Einwirkung hochenergetischer Laserstrahlung ausgelegt werden können. Für die Untersuchung solcher Fragestellung betreibt das Fraunhofer EMI Speziallabore, in denen sich die Bedingungen für einen hochenergetischen Laserstrahl in einem sehr weiten Parameterbereich einstellen und die auftretenden Effekte mit bereits heute industriell verfügbaren Lasern unter der Einschränkung kurzer Entfernungen, wie sie im Labor gegeben sind, sehr genau beobachten lassen. Neben den physikalischen Effekten für klassische Werkstoffe wie Metalle werden dabei auch die Effekte auf neuartige Werkstoffe wie Verbundmaterialien betrachtet.

Ein wichtiger Vertreter letzterer Materialklasse ist kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff (CFK). Dieser ist aus Schichten von vorimprägnierten Kohlenstofffasern, sogenannten Prepregs, aufgebaut, die in eine Kunststoffmatrix einlaminiert werden (Abbildung 1). Die Kohlenstofffasern verleihen dem Werkstoff eine hohe mechanische Stabilität bei gleichzeitig geringem Gewicht. Aufgrund dieser Eigenschaften wird CFK zunehmend für leichte Bauweisen in der Luft- und Raumfahrtindustrie eingesetzt. 

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Abbildung 1: Verbundmaterialien wie kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (CFK) werden wegen ihres geringen Gewichtes und ihrer hohen mechanischen Stabilität zunehmend in Luft- und Raumfahrt eingesetzt.
© Fraunhofer EMI
Abbildung 2: Hochgeschwindigkeitsaufnahmen ermöglichen eine Visualisierung der Schädigungsprozesse bei der Lasereinwirkung auf CFK.

Analyse der Schädigungsmechanismen von CFK unter Laserbestrahlung

In gemeinsamen Studien untersuchen das Wehrtechnische Institut für Werk- und Betriebsstoffe der Bundeswehr (WIWeB) und das Fraunhofer EMI grundlegende Wirkprozesse hochenergetischer Laserstrahlung auf CFK. Erste Versuchsreihen wurden zunächst bei Laserleistungen von bis zu 10 Kilowatt und variierenden Strahldurchmessern (1-3 Zentimeter) an plattenförmigen CFK Proben mit Materialstärken bis 6 Millimeter durchgeführt. Bei den Untersuchungen wurden mit spezieller Hochgeschwindigkeitsmesstechnik die auftretenden Wirkprozesse während der Laserbeaufschlagung analysiert. Aufnahmen mit einer Hochgeschwindigkeitskamera zeigen deutlich, wie durch die Lasereinwirkung zunächst die Kunststoffmatrix abgetragen wird, während eine Schädigung der Kohlenstofffaser aufgrund deren wesentlich höheren Schmelz- und Verdampfungstemperatur erst zu einem späteren Zeitpunkt auftritt (Abbildung 2). 

Ableitung von Schädigungsmodellen

Für die weitere Analyse wurden die Proben im Anschluss an die Laserbestrahlung in einem hochauflösenden Computertomografen (µ-CT) untersucht. Damit ist eine zerstörungsfreie Visualisierung der Schädigung im Innern der Probe und insbesondere eine Quantifizierung des geschädigten Volumens möglich (Abbildung 3). Die Auswertung der Versuchsergebnisse zeigt, dass bei den untersuchten Proben unabhängig von den verwendeten Laserparametern und von der Bestrahlungsdauer ein linearer Zusammenhang zwischen der eingebrachten Laserenergie und dem abgetragenen Volumen besteht. Diese Beziehung kann mathematisch als ein einfaches Schädigungsmodell formuliert werden, welches es erlaubt, Vorhersagen über das Ausmaß der eingetretenen Schädigung in Abhängigkeit der Bestrahlungsparameter für den betrachteten Parameterbereich aufzustellen. So können Aussagen über Perforationszeiten oder die mechanische Schwächung des Materials abgeleitet werden. Die Ergebnisse der gemeinsamen Untersuchungen wurden im Journal of Composite Materials veröffentlicht [1]. Darin werden auch weitergehende Ergebnisse wie Perforationszeiten, elektronenmikroskopische Analysen der Morphologie des geschädigten Materials und experimentelle Untersuchungen zur Abnahme der mechanischen Stabilität der beaufschlagten CFK Proben vorgestellt.


Ausblick auf zukünftige Untersuchungen

Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, dass bei der Lasereinwirkung auf Verbundmaterialien komplexe Wirkmechanismen auftreten können, die mit dem inhomogenen Aufbau dieses Materialtyps zusammenhängen. So sind durch die Orientierung der Kohlenstofffasern bei CFK Vorzugsrichtungen vorhanden, die zu einer anisotropen Wärmeleitung und zu einer Schädigung des Materials auch außerhalb des beaufschlagten Bereichs führen. Diese Effekte werden derzeit in weiteren Versuchsreihen untersucht. Darüber hinaus wird in aktuellen Untersuchungen auch die Frage adressiert, welche Schädigungsmechanismen bei sehr hohen Laserleistungen auftreten, wenn der hochenergetische Laserstrahl in den nächsten Entwicklungszyklen immer weiter gesteigert würde und mehr als 100 Kilowatt erreichen könnte. Werden dann die bislang bei demgegenüber sehr geringen Strahlleistungen gemachten Beobachtungen weiterhin gültig sein oder treten qualitative Änderungen des Materialverhaltens bei höheren Leistungen auf? Um derartige grundlegende Phänomene einordnen zu können, soll das thermomechanische Lastverhalten von Werkstoffen auch für höhere Laserleistungen wissenschaftlich untersucht werden.

[1] J. Wolfrum, S. Eibl, E. Oeltjen, J. Osterholz, and M. Wickert, High-energy laser effects on carbon fiber reinforced polymer with a focus on perforation time, Journal of Composite Materials (2021), https://doi.org/10.1177/0021998320988885

© Oben links und rechts: Fraunhofer EMI/unten: WIWeB
Abbildung 3: Die Analyse der Probe nach der Laserbestrahlung (Vor- und Rückseite auf den Bildern links und rechts) mittels Computertomografie (Querschnittsaufnahme Bild unten) ermöglicht die Quantifizierung des geschädigten Volumens und die Ableitung von Schädigungsmodellen.