Das Potenzial von Nanosatelliten für militärische Zwecke

Das Potenzial von Nanosatelliten für militärische Zwecke

© Fraunhofer EMI
Künstlerische Darstellung des 12U-Nanosatelliten ERNST im Orbit. Der Start ist für den Beginn des Jahres 2021 geplant.

Die Raumfahrtbranche erfährt aktuell einen Umbruch durch neue Wettbewerber, die hohe Beträge an Wagniskapital für die Entwicklung neuer Raumfahrtsysteme eingeworben haben. Im Bereich der Satellitentechnik zielt die Entwicklung auf das Konzept großer Schwärme von Kleinsatelliten. Als »Kleinsatellit« bezeichnen wir allgemein Satelliten, die weniger als 100 Kilogramm wiegen. Sie sind keine neue Erfindung, sondern werden seit Jahrzehnten von Funkamateuren und später von Universitäten und Forschungsinstituten auch in Deutschland entwickelt. Dabei nutzen Kleinsatelliten traditionell die freien Nutzlastkapazitäten von Trägersystemen als Mitfluggelegenheit.

Eine weitere Größenklasse etablierte sich nach der Definition des »CubeSat«-Standards im Jahr 1999. Er umschreibt einen standardisierten, würfelförmigen Satelliten mit nur zehn Zentimetern Kantenlänge und maximal 1,3 Kilogramm Masse beziehungsweise Vielfache dieses Grundmaßes zu einem Nanosatelliten. Bis Ende 2018 sind weltweit mehr als 1000 CubeSats gestartet worden. Getrieben werden die Rekordstartzahlen inzwischen von kommerziellen Anbietern wie Planet Labs, die eine Konstellation von über 150 CubeSats zur Erdbeobachtung im niedrigen Erdorbit installiert haben. Damit steht der Kleinsatellitenbereich derzeit am Wendepunkt von der vorwiegend institutionellen hin zur kommerziellen Nutzung. Einen weiteren Meilenstein markierte die NASA mit ihrer Marsmission InSight, die mit dem erfolgreichen Einsatz von 6U-Nanosatelliten im interplanetaren Raum das technische Potenzial der Nanosatelliten aufzeigte.

© Fraunhofer EMI
Aufnahme des Mars vom NASA-Kleinsatelliten MarCO-B. Zwei dieser nur 13,5 Kilogramm schweren Nanosatelliten überstanden den Flug zum Mars und dienten erfolgreich als Funkrelais zur gelandeten Raumsonde InSight.

»Validierung statt Zertifizierung«

Der emergente Aufstieg der Kleinsatelliten wird von deren Protagonisten als Teil der »New Space«-Industrie propagiert. Die hohe Dynamik dieses Markts führt zu der Frage, ob militärische Anwendungen von dieser Entwicklung profitieren können. Einer durch die Größe limitierten Leistungsfähigkeit stehen niedrige Kosten und kurze Umsetzungszeiten gegenüber. Die Entwicklung von Nanosatellitentechnologie folgt der Prämisse »Validierung statt Zertifizierung« und sieht kleine, modulare und robuste Satellitenplattformen in Serienfertigung vor. Diese Systeme enthalten einen relativ hohen Anteil an kommerziellen Komponenten und können so schnell auf Technologietrends reagieren.

Durch die Anwendung in einer Konstellation lassen sich eine globale Abdeckung und eine geringe Latenzzeit realisieren. Schneller und häufiger zur Verfügung stehende Daten geben ein aktuelles Lagebild. Ein weiterer Pluspunkt ist die Systemredundanz, die auf US-Seite, wo die Nanosatellitenentwicklung auch militärisch stark getrieben ist, hervorgehoben wird. Gegenüber einem Einzelsystem ist eine Satellitenkonstellation sehr viel schwieriger angreifbar durch Blendung, Manipulation oder gar Zerstörung.

© Fraunhofer EMI
Infrarothauptnutzlast des Nanosatelliten ERNST mit Filterpendel und 3D-gedruckter optischer Bank.

ERNST - Der Fraunhofer EMI Nanosatellit

Um die Machbarkeit des Einsatzes von Nanosatelliten zur Unterstützung der Bundeswehr zu untersuchen, wird vom Fraunhofer EMI der Nanosatellit ERNST gebaut. ERNST ist eine 12U-Plattform mit den Maßen von 236 mal 236 mal 340 Kubikmillimetern. Er trägt drei Nutzlasten: einen kryogekühlten Infrarotdetektor zur Erdbeobachtung in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IOSB, eine Kamera zur Erdbeobachtung im sichtbaren Bereich und einen vom Fraunhofer INT entwickelten Strahlungsdetektor. Derzeit wird das ERNST-Qualifikationsmodell integriert und getestet. Der Start eines Flugmodells ist für den Beginn des Jahres 2021 anvisiert. Technologische Highlights sind eine 3D-gedruckte optische Bank und ein entfaltbares Bremssegel für den beschleunigten Wiedereintritt des Satelliten in die Erdatmosphäre nach Missionsende.

Dabei sehen wir die Entwicklung von Nanosatellitentechnik nicht in Konkurrenz, sondern ergänzend zu den etablierten Hochleistungssatelliten. Kostengünstige und reaktionsschnelle Nanosatellitenmissionen können gerade durch die Kombination mit bestehenden Systemen ein schnelles, umfassenderes Lagebild aus komplementären Daten für die militärische Fernerkundung bereitstellen.