Risiko- und Resilienzanalysen

Risiko- und Resilienzanalysen: städtebauliche Gefährdungsanalyse

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Abb. 1 Ergebnis der Bedrohungsanalyse für eine deutsche Stadt im Südwesten (Lörrach).

Im Zuge der wachsenden Bedrohung durch terroristische Angriffe in Europa und Deutschland fällt der Thematik des baulichen Bevölkerungsschutzes gegen Terrorismus eine besondere Rolle zu. Es besteht ein wachsender Bedarf, einerseits die potenziellen Gefährdungen und Risiken durch die terroristische Bedrohung zu quantifizieren und anderseits den baulichen Bevölkerungsschutz insbesondere bei kritischen Infrastrukturen präventiv zu implementieren.

Vor diesem Hintergrund wurde das Fraunhofer EMI vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) mit dem Forschungsvorhaben »Städtebauliche Gefährdungsanalyse« beauftragt. Ziel des Forschungsvorhabens war die Entwicklung des Computerprogramms Explosion Effects in Cities (ExE-Cities), das folgende Fragen beantwortet: 

  • Welche Infrastruktur ist bedroht?
  • Mit welchen Konsequenzen muss gerechnet werden?
  • Wie kann geschützt werden?

Die Beantwortung der ersten Frage erfolgt im Rahmen der Szenarioanalyse. In der Szenarioanalyse wird die zu schützende beziehungsweise zu bewertende Infrastruktur definiert und eine Bedrohungsanalyse mittels eines datenbankgestützten Bewertungsverfahrens durchgeführt. Die Daten beruhen hierbei auf der Auswertung einer weltweiten Datenbank für terroristische Anschläge des Fraunhofer EMI. Im Ergebnis wird die kritische Infrastruktur identifiziert. Ein Beispiel für das farblich kodierte Ergebnis einer Bedrohungsanalyse zeigt Abbildung 1. Die in diesem Szenario besonders gefährdete Infrastruktur, Rathaus, Banken und Bahnhof, ist durch die gelb-orange Färbung gekennzeichnet. Im Abschluss der Szenarioanalyse definiert der Benutzer des Programms ein konkretes Szenario, basierend auf den Ergebnissen der Bedrohungsanalyse, wie zum Beispiel Anschlag auf den Bahnhof mit einer 1000-Kilogramm-Ladung. 

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Abb. 2 Komplexe Blastwellenausbreitung in einer Kreuzung.

In der Gefährdungsanalyse werden die physikalischen Größen, die die Wirkungen eines Explosionsereignisses beschreiben, für alle Orte eines konkreten Szenarios ermittelt. Betrachtet werden im Rahmen der Analyse sowohl ideale Blastwellen- als auch komplexe Blastwellenausbreitung. Die Problematik der komplexen Blastwellenausbreitung in urbanen Gebieten wurde, wie in Abbildung 2 beispielhaft für eine Kreuzung dargestellt, in einem umfangreichen Versuchsprogramm untersucht. Die experimentell ermittelten Druck-Zeit-Verläufe sind eine Grundlage für die Quantifizierung von Gebäudeschäden in der folgenden Schadensanalyse.

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Abb. 3 Vergleich des erwarteten Versagensradius infolge einfacher senkrechter Reflexion mit dem erwarteten Versagensabstand infolge komplexer Blastwellenbelastung; Ladung: 1000 kg; charakteristisches Bauteil: 24 cm Mauerwerkswand.

Die Frage »Mit welchen Konsequenzen muss gerechnet werden?« wird im Rahmen der Schadensanalyse für Personen und Gebäude beantwortet. Die Ermittlung der erwarteten Gebäudeschäden kann sowohl auf der Gesamttragwerks- als auch auf der Bauteilebene erfolgen. Das Bild unten zeigt ein Ergebnis der Schadensanalyse für ein Szenario mit einer 1000-Kilogramm-Ladung. Der Bereich, in dem das Versagen einer 24 Zentimeter dicken Wand infolge idealer Blastbelastung, daher unter Berücksichtigung einer einfachen senkrechten Reflexion, erwartet wird, ist durch die rote Kreisfläche mit einem Radius von 86 Metern gekennzeichnet. Der erwartete Versagensabstand infolge komplexer Blastwellenbelastung erstreckt sich bis 117 Meter. Dieses Beispiel verdeutlicht, das für eine genauere Bewertung von Gebäudeschäden in urbanen Gebieten ein Ansatz, der komplexe Blastwellenbelastung berücksichtigt, erforderlich ist.

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Abb. 4 Ergebnisse einer Risikoanalyse in Bezug auf die Auswirkungen eines Ereignisses auf die Verkehrsinfrastruktur (oben) und die Gebäude im städtischen Bereich und die daran anschließende Gebäudestruktur.

Im Bereich der erwarteten Personenschäden ist sowohl die Gefährdung durch Gebäudeeinsturz als auch die Gefährdung durch Blast abgebildet. Mit der Software können somit die erwarteten Konsequenzen für Personen in Gebäuden und Personen nahe Gebäuden ermittelt werden. Im Anschluss an die Schadensanalyse werden dem Nutzer mit dem implementierten Schutzmaßnahmenkatalog Möglichkeiten aufgewiesen, mit denen die erwarteten Konsequenzen eines Ereignisses minimiert werden können. Neben organisatorischen und baulichen Schutzmaßnahmen erweist sich Abstand als einer der effektivsten Lösungen.

Dezidierte Risikoanalysen im urbanen Raum ermöglichen es also, gefährdete Bereiche und Gebäudekonfigurationen anhand der Bewertung der Auswirkungen betrachteter Ereignisse im Vorfeld zu definieren. Dadurch kann der Aufwand für die entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen gezielt minimiert werden (siehe Abbildungen 3 und 4). Zusätzlich können, aufbauend auf den Ergebnissen, kritische Gebäude im Fokus gezielt in ihrer Robustheit bewertet und verstärkt werden.