PROGRESS – Sicherheit und Überwachung von Satelliten-Bodenstationen

PROGRESS – Sicherheit und Überwachung von Satelliten-Bodenstationen

Satelliten und die dazugehörigen Bodenstationen gelten als kritische Infrastrukturen, die aufgrund ihrer Komplexität und Vernetzung schutzbedürftig sind. Im Projekt PROGRESS (Protection and Resilience of Ground Based Infrastructures for European Space Systems) beschäftigt sich ein europäisches Konsortium mit der Sicherheit von Bodenstationen der Satellitensysteme.

© Fraunhofer EMI
1: Prototyp eines Sensorknotens zur Messung von Detonationen und Hochleistungsmikrowellen in der Implementierung. Am Ende des Mastes sind die Antennen positioniert, die Drucksensoren mittig und auf dem Behälter, der die Elektronik und Betriebskomponenten enthält.
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2: Schema des PROGRESS-Systems zur Überwachung und Erhöhung der Sicherheit von GNSS-Bodenstationen und anderer kritischer Infrastruktur. Das IGSSMS wird unter der Führung des Fraunhofer EMI entwickelt.
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3: Architektur und Funktion eines Sensorknotens zur Detektion von Explosionen und Hochleistungsmikrowellen. Eine Bodenstation kann mit mehreren dieser autonomen Sensorknoten ausgestattet werden.

Raumfahrtanwendungen wie die Satellitennavigation sind zu einem wichtigen funktionalen Bestandteil unserer modernen Gesellschaft  geworden. Deshalb gelten Satelliten und die dazugehörigen Bodenanlagen als sogenannte kritische Infrastrukturen. Als kritische Infrastrukturen werden physikalische oder computerbasierte Systeme verstanden, die wichtig für das Funktionieren der wirtschaftlichen und politischen Strukturen eines Staats sind. Vielfach, aber nicht ausschließlich, zählen dazu Transport-, Finanz-, Kommunikations-, Energie- und Logistiknetzwerke. Durch die steigende Komplexität und Vernetzung dieser Systeme steigt deren Schutzbedürftigkeit, die eine Risikobeurteilung kritischer Infrastrukturen unabdingbar macht. In der Praxis zeigt sich aber eine tendenzielle Vernachlässigung von Gefährdungen mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit, ungeachtet deren potenziell signifi kanter Konsequenzen. Dies gilt im Besonderen für die Bedrohung durch terroristische Angriffe.

Im Projekt PROGRESS (Protection and Resilience of Ground Based Infrastructures for European Space Systems) beschäftigt sich ein europäisches Konsortium mit der Sicherheit von Bodenstationen von Satellitensystemen. Das durch die Europäische Kommission im FP7-Rahmenprogramm geförderte Projekt gilt im Speziellen der Sicherheit von Bodenstationen von Satellitennavigationssystemen (GNSS: Global Navigation Satellite System), bei denen Europa mit Galileo mittelfristig eine wichtige Position einnehmen wird. Das PROGRESS-Konzept umfasst, wie in Abbildung 2 gezeigt, die Entwicklung eines integrierten Sicherheitsüberwachungssystems (IGSSMS: Integrated Ground Station Security Monitoring System)  und eines Sicherheitskontrollzentrums (SCC: Security Control Center) zur Lagebewertung und Initiierung von Maßnahmen zur Rekonfiguration und schnellen Wiederherstellung der Funktionalität des Gesamtsystems.

Das Fraunhofer EMI leitet die Entwicklung des IGSSMS Detektionssystems als zentrales Element des PROGRESS-Systems. Es kombiniert verschiedene Überwachungssysteme zur Detektion relevanter, terroristischer Gefährdungen: 1) physikalische Angriffe auf die Bodenstation durch Explosionen und Hochleistungsmikrowellen, 2) Störungen der Funkstrecken durch Jamming und Spoofing (das Aussenden von Stör- bzw. manipulierten Funksignalen) und 3) Cyberattacken im Netzwerk der Bodenstation. Die dedizierten Überwachungssysteme detektieren diese Angriffe und leiten in Quasi-Echtzeit Alarmbotschaften an das Sicherheitskontrollzentrum weiter. Ein besonderes Merkmal der Überwachungssysteme ist die Lokalisierung des Angriffs. Dem Sicherheitszentrum soll die Richtung bzw. der Ort eines Angriffs und das mögliche Schädigungslevel berichtet werden, um die Analyseder Konsequenzen für die Bodenstation und potenzieller Gegenmaßnahmen zu unterstützen.

Nachdem die erste Projekthälfte der Risikoabschätzung und der Definition möglicher Überwachungs- und Schutzmaßnahmen gewidmet war, erfolgte in 2015 die Entwicklung und Implementierung der Detektionssysteme. Das Fraunhofer EMI ist aufgrund seiner speziellen Expertise für die Umsetzung des Detektionssystems für physikalische Angriffe zuständig. Der im Aufbau befindliche Sensorknoten ist in Abbildung 3 schematisiert. Er erfasst die Detonationswellen von Explosionen mit piezoresistiven Absolutdrucksensoren und Messverstärkern bis zu einer Höhe von 50 bar. Als Sensorik für Hochleistungsmikrowellenereignisse dienen spezielle Spiralantennen in Kombination mit einem Analog-Front-End, der aus Dämpfungsgliedern, Begrenzern und einem logarithmischen Detektor mit großem Dynamikumfang und kurzer Anstiegszeit besteht. Während die Sensorik und analoge Signalaufbereitung speziell auf die zu detektierende physikalische Messgröße zugeschnitten ist, werden im Sensorknoten identische Baugruppen zur schnellen Digitalisierung (100 Megasamples pro Sekunde Abtastrate) und Datenanalyse verwendet. Letztere erfolgt auf Basis von FPGA-Technologie (wiederprogrammierbare integrierte Schaltkreise), die speziell für Echtzeitprobleme geeignet ist. Findet beispielsweise eine Detonation statt, so werden aus dem Eingangsdatenstrom Peaks detektiert sowie charakteristische Größen wie Zeitpunkt, Intensität, Integral und Pulsbreite bestimmt. Diese werden an einen Mikrokontroller weitergeleitet, der innerhalb des FPGA in Form von in Hardwarebeschreibungssprachen verfasstem Softcore vorliegt. Auf dem FPGA erfolgt auch die Berechnung zur Ortung eines Angriffs. Für die  etektion von Detonationen werden vier Drucksensoren an verschiedenen Orten in unterschiedlicher Ausrichtung platziert. Anhand einer auf Laufzeitunterschieden basierenden Methode kann auf die Richtung der Detonationsquelle geschlossen werden. Weil als Näherung eine ebene Welle mit konstanter Ausbreitungsgeschwindigkeit innerhalb der Sensorregion angenommen wird, dürfen die Sensoren nicht zu weit auseinander platziert werden, aber entfernt genug, um Laufzeitunterschiede wahrzunehmen. Die Lokalisierungsalgorithmen und die Funktionalität der gesamten Messstrecke wurden durch Explosionsversuche im Institutsteil Kandern, wie in Abbildung 4 gezeigt, erfolgreich getestet. Der ebenfalls  erfolgreiche Nachweis der Hochleistungsmikrowellendetektion und -lokalisierung erfolgte Ende des Jahres bei CEA in Gramat, Frankreich. Das Messequipment und die Energieversorgung sind in dem in Abbildung 1 gezeigten Container integriert, der Explosionslasten gegenüber robust und gegen elektromagnetische Interferenzen geschirmt ist. Die Antennen befinden sich in unterschiedlicher Ausrichtung auf einem Mast, die  Drucksensoren sind an verschiedenen Positionen des Containers platziert. Die prozessierten Alarminformationen werden über einen Controller und eine interferenzresistente Glasfaserverbindung an das Netzwerk zum Server des Kontrollzentrums weitergeleitet. Nach der Fertigstellung des Sensorknotens soll im folgenden Jahr das komplette IGSSMS-Detektionssystem integriert und mittels simulierter Angriffe demonstriert werden.

Weitere Informationen sind unter www.progress-satellite.eu zu finden.

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4a: Messaufbau und Lokalisierung einer Detonationsquelle. Aufbau der Drucksensoren und der Detonationsquelle im Labor.
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4b: Gemessene Drucksignale. Trifft die Detonationswelle nicht frontal auf einen Drucksensor, so verringert sich die gemessene Amplitude. Zu späteren Zeitpunkten sind die abgeschwächten Reflektionen der Detonationswellen sichtbar. Zur Quellenlokalisierung werden die Laufzeitunterschiede der Messsignale verwendet.