Wie sicher schlägt das Herz des Elektroautos?

Das Fraunhofer EMI prüft Batterien für Elektrofahrzeuge

Wo liegen die Belastungsgrenzen von Batterien beim Crash? Das Fraunhofer EMI nutzt seine Expertise in der Untersuchung hochdynamischer Vorgänge, um Batterien für Elektrofahrzeuge sicher zu machen.

© Fraunhofer EMI
Mit einer Kraft von bis zu 500 Kilonewton und Geschwindigkeiten von bis zu zehn Metern pro Sekunde können Batterien am Batterieprüfstand gequetscht werden.
© Fraunhofer EMI
In der Messkammer stößt der halbzylindrische Impaktor auf die Batterie. Hier werden Weg, Kraft, Spannung und Temperatur gemessen, die während des dynamischen Experiments auf die Batterie einwirken.

Wenn ein konventionelles Auto gegen eine Bordsteinkante fährt, ist das für den Autobesitzer oder die Autobesitzerin eine ärgerliche und teure Angelegenheit. Fährt jedoch ein Elektroauto gegen einen Bordstein, so kann dies nicht nur zu äußeren Schäden führen. Die Batterie, der zentrale Energiespeicher des E-Fahrzeugs, kann beschädigt werden und im schlimmsten Fall gar Feuer fangen. Ohne ein genaues Verständnis der Belastungsfähigkeit und des Verhaltens von Batterien unter extremen Bedingungen kann die Elektromobilität, das angestrebte Mobilitätskonzept der Zukunft, den erforderlichen Sicherheitsstandards nicht genügen. Die Bundesregierung verfolgt ein ehrgeiziges Ziel: zum 1. Juli 2021 gab es 440.000 E-Autos, bis Ende 2030 sollen es 15 Millionen sein. Das Fraunhofer EMI überprüft die Sicherheit dieser Fahrzeuge.

Denn die Konstruktion von konventionellen Fahrzeugen und Elektrofahrzeugen unterscheidet sich fundamental: Während konventionelle Autos einen Treibstofftank mit sich führen, ist der zentrale Antrieb des Elektroautos die Batterie, zumeist eine Lithium-Ionen-Batterie, die sich zudem an einer anderen Stelle in der Karosserie befindet. Dieser entscheidende Unterschied stellt die Crashsicherheitsforschung vor neue Herausforderungen: Wie verhält sich die Batterie eines E-Autos unter Crashbelastungen? Wie wirken sich eine Delle, eine Quetschung oder ein eindringender Fremdkörper auf den Energiespeicher aus?

Das EMI prüft die Belastungsgrenzen geladener Batterien beim Crash

Der Schwerpunkt der Batterieprüfung am Fraunhofer EMI liegt in der Untersuchung des Crashverhaltens von Batterien. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen in dynamischen Experimenten deren Belastungsgrenzen und analysieren die sich hieraus bei einem Unfall ergebenden Risiken. Dabei werden unterschiedlichste Crashszenarien in Versuchen nachgebildet, um den Einfluss der Belastungsgeschwindigkeit, der Form und Dimension des eindringenden Objekts, des Ladezustandes oder der Ausrichtung der Zellen ermitteln zu können.

Ein besonderes Risiko für die Fahrzeugsicherheit birgt ein Crash geladener Zellen. Allein schon durch äußere Verformungen einer Zelle kann es im Innern der Batterie zu einem Kurzschluss und damit zu einem ungewollten Stromfluss kommen. Durch die Erwärmung der Zelle werden chemische Reaktionen in Gang gesetzt, die noch mehr Wärme erzeugen. Ist dann genügend Sauerstoff vorhanden, können einzelne Materialien zünden. Bei einem größeren Crash mit geladenen Zellen kommt es also häufig zu einem Brand. Die Forschenden am EMI können Crashversuche an geladenen Batterien durchführen und somit Aussagen über die Risiken treffen, die von Batterien in Elektrofahrzeugen ausgehen. Für die Hersteller von Elektrofahrzeugen sind belastbare Aussagen hierüber bei der Wahl des Energiespeichers enorm wichtig.

Die Versuche werden an einem speziellen Prüfstand durchgeführt, in dem die Zellen definiert gequetscht, verformt oder durch einen eindringenden Körper beschädigt und zerstört werden (siehe Film). Die dabei zu beobachtenden Reaktionen decken eine enorme Bandbreite ab. Auf der einen Seite können bestimmte Belastungen unmittelbar zur Explosion des gesamten Energiespeichers führen. Auf der anderen Seite kann die innere Beschädigung bei bestimmten Belastungen so gering ausfallen, dass die im Innern angeregten chemischen Abläufe äußerlich zunächst nicht erkennbar sind und die Zelle weiterhin voll funktionsfähig erscheint. In so einem Fall kann es Tage dauern, bis äußere Reaktionen auftreten. Am EMI erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, welche Einwirkungen auf eine Batterie ohne Sicherheitsrisiko tolerierbar sind.

Crashtest und Simulation für die Sicherheit von Elektrofahrzeugen

Die Versuche am EMI sind für die Crashsimulation von E-Autos unerlässlich. Die gewonnenen Daten aus dem Experiment lassen sich in die Simulation überführen, die für die Entwicklung von Schutzmaßnahmen notwendig ist. Mit kommerzieller Berechnungssoftware und hauseigenen Simulationsmethoden wie der Software SOPHIA lassen sich Prognosen über die Belastung im Crashfall herleiten. Diese Kombination aus dynamischem Experiment und Simulation ist einzigartig und ermöglicht wertvolle Aussagen über das Verbesserungspotenzial von Sicherheitskonzepten und Fahrzeugstrukturen für Elektrofahrzeuge.

Kundenspezifische Materialprüfung am Fraunhofer EMI

Sowohl für die Simulation als auch für die Herstellung von Energiespeichern für E-Autos ist die Materialprüfung ein wichtiger Schritt in der fahrzeugtechnischen Entwicklungskette. Jeder Hersteller nutzt andere Batterien, deren Zellchemie, also die chemische Zusammensetzungen der Aktivmaterialien, sich voneinander unterscheidet. Am Fraunhofer EMI  können Forschende Materialprüfungen kundenspezifisch durchführen und Materialdaten für Simulationen generieren. An den Zug-Druck-Maschinen des EMI, dem Split Hopkinson Pressure Bar und Split Hopkinson Tension Bar, lässt sich überprüfen, wie die Materialien auf Zug, Druck oder Dehnung reagieren. In speziellen Klimakammern können auch Versuche bei erhöhter Temperatur durchgeführt werden. Diese Informationen fließen in den Herstellungsprozess ein und ermöglichen so  belastungsfähigere, leistungsstärkere und sicherere Batterien.

Bündelung der Kompetenzen – das EMI ist Mitglied der Fraunhofer-Allianz Batterien

Das Fraunhofer EMI bündelt seine Kompetenzen im Rahmen der Fraunhofer-Allianz Batterien mit 19 weiteren Fraunhofer-Instituten. Die Allianz Batterien entwickelt auf dem Themengebiet der elektrochemischen Energiespeicher geeignete technische und konzeptionelle Lösungen und überführt diese in die Anwendung. Dabei befasst sie sich sowohl mit primären, nicht wieder aufladbaren Batterien als auch mit sekundären, also wieder aufladbaren Systemen. Die Untersuchungen reichen von der Kleinstanwendung wie zum Beispiel Knopfzellen bis zu großen stationären Systemen wie Redox-Flow-Batterien. Im Rahmen der Allianz trägt das Fraunhofer EMI mit seiner langjährigen Erfahrung im Bereich Prüfung und Simulation besonders dazu bei, fahrzeugtaugliche elektrische Energiespeicher für die Elektromobilität sicherer und effizient zu machen.

© Fraunhofer Allianz Batterien

Der Imagefilm der Allianz Batterien zeigt, wie am Fraunhofer EMI eine Batterie in einem speziellen Prüfstand im dynamischen Experiment gequetscht wird. 

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